PKV für Assistenzärzte – Strategische Finanz- und Risikoplanung
Sie sind Assistenzarzt oder Assistenzärztin, Ihr Einkommen liegt (oder wird in Kürze) über der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) und Sie stehen vor der Frage: GKV bleiben oder in die PKV wechseln? Vielleicht sind Sie bereits privat versichert und möchten besser verstehen, welche Mechanismen Ihre tatsächliche Nettobelastung steuern – heute und in 10, 20 oder 30 Jahren.
Dieser Abschnitt der Seite verfolgt ein klares Ziel: Er soll Ihnen eine nüchterne, strategische Grundlage liefern, damit Sie die Entscheidung für oder gegen die PKV bewusst treffen – mit Blick auf:
- Ihre tatsächlichen Nettokosten nach Arbeitgeberzuschuss und Steuer,
- die Dynamik von Sozialversicherungswerten und Beitragsanpassungen,
- die Optimierungsmöglichkeiten über Selbstbeteiligung und Beitragsrückerstattung,
- kritische Lebensphasen (Elternzeit, Teilzeit, Klinikwechsel) und ihre Risiken.
1. Grundlagen: Was bedeutet PKV für Sie als Assistenzarzt?
Sobald Ihr regelmäßiges Jahreseinkommen über der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) liegt, werden Sie in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei. Das heißt: Sie müssen nicht mehr in der GKV bleiben, sondern können in die Private Krankenversicherung wechseln. Genau an diesem Punkt beginnt die strategische Betrachtung.
1.1 Versicherungsfreiheit und Statuswechsel
Als angestellter Assistenzarzt in der Klinik sind Sie in der Regel klassisch angestellt mit Tarifvertrag (z. B. TV-Ärzte, TVöD etc.). Solange Ihr Einkommen unterhalb der JAEG liegt, sind Sie pflichtversichertes Mitglied der GKV. Überschreiten Sie die Grenze, werden Sie versicherungsfrei und haben zwei Optionen:
- Sie bleiben freiwillig in der GKV.
- Sie wechseln mit Beginn der Versicherungsfreiheit in die PKV.
Die Entscheidung trifft niemand für Sie. Weder Klinik noch Krankenkasse werden Sie aktiv in eine Richtung drängen. Genau deshalb landen viele Ärzte aus Bequemlichkeit einfach in der GKV – oder aus Unwissenheit in einem PKV-Tarif, der fachlich nicht zu ihrer Lebensplanung passt.
1.2 Unterschiedlicher Systemcharakter: GKV vs. PKV
Die GKV ist ein Solidarsystem: Ihre Beiträge hängen vom Einkommen ab, nicht von Ihrem persönlichen Gesundheitsrisiko. Die Leistungen sind im Wesentlichen über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) definiert und können politisch verändert werden.
Die PKV funktioniert dagegen nach dem Prinzip der individuellen Risikoabsicherung mit Altersrückstellungen:
- Ihr Beitrag hängt von Eintrittsalter, Gesundheitszustand und Tarifauswahl ab.
- Es wird kapitalgedeckt vorgesorgt (Altersrückstellungen), um steigende Gesundheitskosten im Alter abzufedern.
- Leistungen werden vertraglich festgelegt und sind nicht einseitig „nach unten“ veränderbar.
Für Sie als Assistenzarzt heißt das: Die PKV ist kein kurzfristiger Spartrick, sondern eine Lebensentscheidungs-Architektur. Sie kaufen sich bessere Steuerbarkeit der Leistungen und potenziell bessere Versorgung – bezahlen dafür aber mit weniger Flexibilität beim Zurück in die GKV, gerade ab einem bestimmten Alter.
1.3 Strategische Frage: „Passt PKV zu meinem Lebensentwurf?“
Bevor man Beiträge, Tabellen und Steuervorteile diskutiert, muss eine einfache Frage beantwortet werden:
Rechnen Sie dauerhaft mit einem Einkommen deutlich über der JAEG – oder planen Sie eher Teilzeit, längere Auszeiten, Auslandsaufenthalte oder eine selbständige Tätigkeit mit schwankenden Einkünften?
Je stabiler Ihre Einkommensperspektive im oberen Bereich ist (Facharzt, Oberarzt, Chefarzt, gut gehende Praxis), desto eher funktioniert PKV als planbares System. Wer eher flexible Lebensentwürfe mit längerer Teilzeit, längerer Forschungstätigkeit oder häufigen Statuswechseln erwartet, muss genauer hinsehen und die Risiken bewusst einplanen.
2. Finanzielle Basis: Nettokosten, Arbeitgeberzuschuss und Steuer
Der größte Fehler in vielen PKV-Rechnungen: Es wird nur der Bruttobeitrag betrachtet. Für Sie entscheidend ist aber die Nettobelastung nach Arbeitgeberzuschuss und steuerlicher Entlastung – und wie sich diese Werte in den nächsten Jahren voraussichtlich entwickeln.
2.1 Arbeitgeberzuschuss: Gesetzliche Logik
Als angestellter Arzt haben Sie einen gesetzlichen Anspruch auf einen Zuschuss Ihres Arbeitgebers zu Ihrer privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Dieser Zuschuss ist zweifach gedeckelt:
- maximal die Hälfte Ihres tatsächlichen Beitrags (inkl. Pflege),
- maximal der Betrag, den der Arbeitgeber zahlen müsste, wenn Sie in der GKV versichert wären.
Der zweite Punkt koppelt Ihren PKV-Zuschuss direkt an die GKV-Beitragsbemessungsgrenze (BBG) und den durchschnittlichen Zusatzbeitrag. Steigen diese Werte, steigt automatisch auch der maximal mögliche Zuschuss zur PKV – unabhängig davon, wie Ihre eigene PKV sich entwickelt.
2.2 Entwicklung des Maximalzuschusses (2025 vs. 2026)
Für die praktische Planung reicht es nicht, nur auf das aktuelle Jahr zu schauen. Entscheidend ist die Tendenz. Die folgenden (vereinfachten) Zahlen zeigen die Richtung:
| Komponente | 2025 (monatlich) | 2026 (Prognose, monatlich) | Veränderung |
|---|---|---|---|
| Max. Zuschuss Krankenversicherung | ca. 471,32 € | ca. 508,59 € | + 37,27 € |
| Max. Zuschuss Pflegeversicherung (mit Kind) | ca. 99,23 € | ca. 104,63 € | + 5,40 € |
| Gesamter Maximalzuschuss PKV + PV | ca. 570,55 € | ca. 613,22 € | + 42,67 € |
Hinweis: In Sachsen gelten in der Pflegeversicherung abweichende Werte, da dort die Beitragstragung anders verteilt ist.
Für Sie praktisch: Wenn Ihr PKV-Gesamtbeitrag (inkl. Pflege) hoch genug ist, erhalten Sie voraussichtlich dauerhaft den Höchstzuschuss. Dieser Höchstzuschuss steigt automatisch mit den GKV-Größen – und dämpft so über die Jahre Ihre persönliche Nettokostensteigerung, auch wenn der Bruttobeitrag der PKV anzieht.
2.3 Nettokosten: Bruttobeitrag vs. Arbeitgeberzuschuss
Entscheidend ist die Frage: Was zahlen Sie selbst aus eigener Tasche? Ein vereinfachtes Beispiel:
- Ihr PKV-Gesamtbeitrag (inkl. Pflege): 800 € pro Monat
- Sie erhalten den Maximalkostenzuschuss (z. B. rund 600 €)
- Ihre Nettobelastung: ca. 200 € pro Monat
In vielen Konstellationen liegen die von Ihnen tatsächlich zu tragenden PKV-Kosten damit unter den reinen GKV-Beiträgen, die Sie als freiwillig gesetzlich Versicherter zahlen würden – bei gleichzeitig höherem individuellen Leistungsniveau. Die Wahrheit ist aber: Das gilt nicht automatisch für jede Konstellation, jede Familie und jede Lebensphase. Kinder, Teilzeit, Ehepartner – all das kann die Rechnung drehen.
2.4 Steuerliche Behandlung: Sonderausgaben und Progression
PKV-Beiträge sind nicht nur eine Ausgabe, sie sind auch steuerlich relevante Vorsorgeaufwendungen. Das wird häufig im Verkauf betont – aber selten sauber erklärt.
Grundprinzip:
- Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung enthalten einen Anteil für die sogenannte Basisabsicherung (vergleichbar GKV-Niveau) und ggf. einen Anteil für Wahlleistungen (z. B. Einbettzimmer, Chefarzt, höherwertige Zahntarife).
- Der Basisanteil ist als Sonderausgabe anzuerkennen. Darüber hinaus ist der Abzug begrenzt und konkurriert mit anderen Vorsorgeaufwendungen.
- Der Arbeitgeberzuschuss ist für Sie steuerfrei, mindert aber gleichzeitig den abziehbaren Aufwand, weil nur der von Ihnen getragene Beitrag steuerlich relevant ist.
Für Sie als Arzt mit wachsendem Einkommen spielt der Progressionseffekt eine wichtige Rolle: Jeder zusätzliche Euro Sonderausgaben reduziert nicht nur die Steuer, sondern reduziert sie ggf. zu einem hohen Grenzsteuersatz. Das heißt: Der effektive „Netto-Preis“ Ihrer PKV-Beiträge ist niedriger als der reine Zahlbetrag.
3. Beitragsoptimierung: Selbstbehalt und Beitragsrückerstattung (BRE)
Neben der „großen Baustelle“ Tarifauswahl gibt es zwei Stellschrauben, mit denen Sie Ihre laufenden PKV-Kosten aktiv steuern können:
- Selbstbehalt (wie viel zahlen Sie pro Jahr selbst?)
- erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung (BRE)
Gerade für junge, gesunde Assistenzärzte sind diese Mechanismen entscheidend, weil sie Ihre effektiven Jahreskosten massiv nach unten ziehen können – vorausgesetzt, man nutzt sie konsequent.
3.1 Funktionsweise der Beitragsrückerstattung
Die Beitragsrückerstattung ist eine Art „Bonus-System“: Sie bekommen einen Teil Ihrer gezahlten Beiträge zurück, wenn Sie in einem Kalenderjahr keine oder nur bestimmte, exakt definierte Leistungen abrechnen.
Typische Eckpunkte:
- Voraussetzung ist meist Leistungsfreiheit im Kalenderjahr: Sie reichen keine Rechnungen ein (außer oft ausdrücklich freigestellte Vorsorgeuntersuchungen).
- Die BRE wird in Monatsbeiträgen gemessen, z. B. 2, 3 oder 6 Monatsbeiträge.
- Die genauen Regeln sind tarifabhängig: Manche Tarife staffeln die BRE nach Dauer der Leistungsfreiheit, andere fixieren sie jährlich.
In speziellen Ärzte-Tarifen ist das Niveau häufig überdurchschnittlich hoch. Rückerstattungen von mehreren Monatsbeiträgen sind realistisch – das kann 20–30 % des Jahresbeitrags ausmachen.
3.2 Schwellenwert-Logik: Wann lohnt sich das Einreichen einer Rechnung?
Der strategische Kernpunkt ist einfach, aber brutal konsequent:
Jede eingereichte Rechnung kann Ihnen die gesamte Beitragsrückerstattung des Jahres kosten.
Die entscheidende Frage lautet also nicht: „Lohnt es sich, diese 80 € oder 200 € ersetzt zu bekommen?“, sondern: „Lohnt sich diese Erstattung, wenn ich dafür z. B. 2.100 € oder 3.600 € BRE verliere?“
Beispiel:
- PKV-Jahresbeitrag: 7.200 € (600 € pro Monat)
- Maximale BRE: 6 Monatsbeiträge = 3.600 €
- Sie überlegen, eine Rechnung über 150 € einzureichen.
Rein rechnerisch „kostet“ Sie diese Einreichung dann nicht 150 €, sondern: 150 € plus der Verlust von 3.600 € BRE. Das ist wirtschaftlich Unsinn, solange Sie diese 150 € aus eigenen Mitteln tragen können.
3.3 Zusammenspiel von Selbstbehalt und BRE
Der Selbstbehalt legt fest, bis zu welchem Betrag Sie pro Jahr immer selbst zahlen, bevor der Versicherer überhaupt leistet. Kombiniert mit der BRE ergibt sich eine Art „doppelter Hebel“:
- Über den Selbstbehalt senken Sie von Anfang an Ihren laufenden Beitrag.
- Über die BRE senken Sie Ihren effektiven Nettobeitrag im Nachhinein nochmals.
Für junge Ärzte mit stabiler Gesundheit kann die Kombination aus moderatem Selbstbehalt und hoher BRE dazu führen, dass der effektiv gezahlte Jahresbeitrag deutlich unter dem Bruttobeitrag liegt – teils um 30–50 % geringer.
Wichtig ist, dass Sie das Spiel verstehen: PKV funktioniert hier nicht wie eine „Rundum-Kostenrückerstattung ab dem ersten Euro“, sondern wie ein System, in dem Sie sich selbst versichern, kleine Dinge zu tragen, um große Risiken abzusichern und dabei die Rückerstattung mitzunehmen.
4. Lebensphasen und berufliche Veränderungen: Elternzeit, Teilzeit, Klinikwechsel
Das Leben eines Arztes verläuft selten linear: Weiterbildungsabschnitte, Klinikwechsel, Forschungszeiten, Elternzeit, ggf. Teilzeitphasen und später ein möglicher Wechsel in Praxis oder MVZ. Jede dieser Veränderungen kann Auswirkungen auf Ihren Versicherungsstatus und Ihre PKV haben.
4.1 Elternzeit: Versicherungspflicht und Befreiung
In der Elternzeit reduziert sich Ihre Arbeitszeit häufig deutlich, manchmal pausieren Sie komplett. Dadurch kann Ihr Einkommen unter die JAEG fallen – oder ganz entfallen. Das Problem:
Fällt Ihr Einkommen unter die Grenze, tritt grundsätzlich wieder Versicherungspflicht in der GKV ein.
Wenn Sie dann nichts tun, riskieren Sie Ihren PKV-Status. Viele Jahre aufgebaute Altersrückstellungen und ein langfristig gut gewählter Tarif wären damit infrage gestellt.
Es gibt allerdings eine Möglichkeit, den PKV-Schutz gezielt zu erhalten:
- Sie können sich für die Dauer der Elternzeit von der GKV-Pflicht befreien lassen.
- Dafür müssen Sie innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht einen entsprechenden Antrag bei einer GKV stellen.
- Voraussetzung ist u. a. die sogenannte „hypothetische Vollzeitbetrachtung“: Würden Sie in Vollzeit weiterarbeiten, müsste Ihr Gehalt oberhalb der JAEG liegen.
Die Befreiung ist zeitlich begrenzt auf die Dauer der Elternzeit. Kehren Sie danach in Teilzeit zurück und bleiben dauerhaft unter der JAEG, kann eine erneute Versicherungspflicht in der GKV entstehen. Steigt Ihr Einkommen später wieder über die JAEG, können Sie in der GKV freiwillig versichert bleiben – oder das Thema PKV erneut aufrollen.
4.2 Teilzeit nach Elternzeit und Krankentagegeld
Besonders heikel ist die Konstellation Teilzeit nach Elternzeit – hier überschneiden sich zwei Risikobereiche:
- Ihr Einkommen sinkt, möglicherweise unter die JAEG.
- Ihr bereits vereinbartes Krankentagegeld kann zu hoch sein.
Krankentagegeld wird zur Absicherung Ihres Nettoeinkommens vereinbart. Reduziert sich dieses dauerhaft (z. B. durch Teilzeit), kann ein zu hohes Krankentagegeld im Leistungsfall dazu führen, dass der Versicherer kürzt oder Vertragsanpassungen verlangt. Im Extremfall droht eine Kündigung des Krankentagegeldtarifs, wenn offensichtliche Überversicherung besteht.
Deshalb gehört zur Planung von Elternzeit und Teilzeit immer auch:
- Prüfung der neuen Einkommenssituation,
- Anpassung des Krankentagegeldes an das realistische Nettoeinkommen,
- Überprüfung, ob die JAEG noch überschritten wird oder nicht.
4.3 Klinikwechsel, Bundeslandwechsel und laufende Behandlungen
Ein weiterer Klassiker im Arztleben: Sie wechseln die Klinik oder das Bundesland, z. B. von Uniklinik zu kommunalem Haus oder in ein anderes Bundesland mit anderen Tarifverträgen.
Für Ihre PKV gilt grundsätzlich:
- Ihre PKV bleibt bestehen – sie ist nicht an einen bestimmten Arbeitgeber gekoppelt.
- Der neue Arbeitgeber ist verpflichtet, den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss zur bestehenden PKV zu zahlen, solange die gesetzlichen Voraussetzungen (Versicherungsfreiheit) vorliegen.
- Laufende Behandlungen (z. B. Psychotherapie, Reha, chronische Erkrankungen) laufen über Ihre PKV weiter, unabhängig davon, in welcher Klinik Sie angestellt sind.
Spannend wird es eher auf der arbeitsrechtlichen Seite (Dienstplan, Bereitschaft, Zusatzverdienst etc.) und bei den Nebentätigkeiten. Für die PKV sind Klinik- und Bundeslandwechsel eher organisatorische Themen, keine Systembrüche – solange Ihr Status „angestellt über JAEG“ stabil bleibt.
4.4 Promotion, Habilitation, Drittmittel- und Stipendienstellen
Kritischer sind Konstellationen, in denen Ihre Tätigkeit formal nicht als klassisches Angestelltenverhältnis mit sozialversicherungspflichtigem Gehalt geführt wird – etwa:
- Stipendien,
- Drittmittelstellen mit Sonderverträgen,
- „Zwischenphasen“ in der Forschung mit geringer Vergütung oder im Ausland.
Hier kann es passieren, dass Ihr Einkommen unter die JAEG fällt oder formal gar kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Das kann GKV-Pflicht auslösen, die Ihren PKV-Status infrage stellt, wenn Sie nicht frühzeitig planen.
Spätestens bei solchen Karriere-Schritten sollten Sie die PKV-Frage nicht nebenbei entscheiden, sondern bewusst klären:
- Wie sieht die Einkommens- und Beschäftigungssituation formal aus?
- Wo liegt die JAEG in dem betreffenden Jahr?
- Besteht Versicherungspflicht oder bleibt Versicherungsfreiheit erhalten?
Diese Übergangsphasen sind oft deutlich komplexer als der „klassische Assistenzarzt im regulären Klinikvertrag“ – und genau dort passieren häufig Fehler, die man später kaum noch korrigieren kann.
5. Schwangerschaft, Familienplanung und Risikoschwangerschaft in der PKV
Für viele Ärztinnen und Ärzte gehört die Familienplanung zu den bedeutendsten Lebensentscheidungen. Die PKV bietet umfangreiche Leistungen – gleichzeitig gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Tarifen, besonders bei Risikoschwangerschaften, Rooming-in, Hebammenleistungen und stationären Komplikationen.
5.1 Leistungen während der Schwangerschaft
Moderne PKV-Tarife übernehmen die regulären Vorsorgeuntersuchungen nach Mutterschaftsrichtlinie und häufig zusätzliche Leistungen wie erweiterte Ultraschall-Screenings oder bestimmte Labordiagnostik. Entscheidend ist jedoch die Frage, welche Untersuchungen explizit eingeschlossen sind und ob darüber hinausgehende Wahlleistungen tariflich erstattet werden.
- Ultraschalluntersuchungen (Standard + Zusatzscreenings)
- Laborleistungen über das GKV-Niveau hinaus
- Hebammenleistungen vor und nach der Geburt
- Geburtsvorbereitung und Rückbildung (je nach Tarif)
Die Leistungen variieren erheblich. Tarife mit breiter ambulanter Abdeckung sind hier klar im Vorteil, da sie sowohl medizinisch notwendige als auch wunschbasierte Zusatzleistungen einschließen.
5.2 Risikoschwangerschaften und stationäre Komplikationen
Hochrelevant für Ärztinnen: Wird eine Schwangerschaft medizinisch komplex, entscheidet der Tarif darüber, wie gut Sie abgesichert sind. Typische stationäre Situationen sind:
- vorzeitige Wehen – stationäre Überwachung
- Cerclage, Tokolyse, Magnesiumgabe
- Präeklampsie oder HELLP-Syndrom
Hier zeigt sich die Qualität des Tarifs. Leistungen sollten ohne Fallpauschalen, ohne enge Summenbegrenzungen und mit klarer Übernahme stationärer Behandlungen beschrieben sein. Gute Tarife arbeiten mit GOÄ-basierten Erstattungsmodellen und definieren keine Sonderregeln für geburtsbezogene Komplikationen.
5.3 Rooming-in, Familienzimmer und Beleghebammen
Komfort- und familienorientierte Leistungen unterscheiden sich stark:
- Rooming-in: Übernimmt der Tarif Kosten für die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind?
- Mitaufnahme des Partners: Wird das Familienzimmer erstattet?
- Beleghebamme / Belegarzt: Sind diese individuellen Wahlleistungen abgedeckt?
Viele Tarife nennen diese Punkte nur im Kleingedruckten. Für realistische Planung sollten Sie im Vorfeld prüfen, welche Kosten in Ihrer Wunschklinik entstehen und ob der Tarif diese vollständig trägt.
5.4 Familienplanung und PKV-Kosten für Kinder
Anders als in der GKV gibt es in der PKV keine beitragsfreie Familienversicherung. Jedes Kind benötigt einen eigenen Vertrag. Typische Beiträge liegen – je nach Tarif – zwischen 150 und 250 Euro pro Kind und Monat.
Wichtig ist außerdem die Neugeborenennachversicherung:
- ohne Gesundheitsprüfung,
- innerhalb einer Frist von meist 2 Monaten nach Geburt,
- mit Leistungsumfang ähnlich dem Tarif eines Elternteils.
6. Zahnmedizin und Kieferorthopädie – der unterschätzte Kostenblock
Zahnleistungen haben in der PKV eine enorme Spannbreite. Von moderaten Pauschalen bis hin zur vollständigen Implantatversorgung ist alles möglich. Für Ärztinnen und Ärzte ist Zahnmedizin finanziell einer der wichtigsten Tarifsäulen.
6.1 Zahnprophylaxe und Zahnerhalt
Gute Tarife decken ab:
- Professionelle Zahnreinigung (ein- bis zweimal jährlich)
- hochwertige Kunststofffüllungen
- Wurzel- und Parodontitisbehandlungen über GKV-Niveau hinaus
6.2 Zahnersatz & Implantate
Die größten Kosten entstehen im Bereich Zahnersatz – insbesondere bei Implantaten. Fragen, die Sie prüfen sollten:
- Wie hoch ist die prozentuale Erstattung (z. B. 80–100 %)?
- Gibt es Summenlimits in den ersten Versicherungsjahren?
- Werden Implantate vollwertig erstattet oder nur eingeschränkt?
6.3 Kieferorthopädie für Kinder
Wenn Sie Kinder planen, wird Kieferorthopädie relevant. Viele Tarife leisten nur ab bestimmten KIG-Stufen. Gute Tarife übernehmen auch umfangreiche kieferorthopädische Behandlungen mit hohen Erstattungssätzen.
7. Tarifwechsel und Leistungsoptimierung innerhalb der PKV
Die PKV ist keine Einbahnstraße. Innerhalb des Versicherers können Sie Tarife wechseln – ohne den Anbieter zu verlassen. Dies ist eine wertvolle Option zur Optimierung von Leistungen oder Beiträgen.
7.1 Interner Tarifwechsel nach § 204 VVG
Dabei bleiben Sie bei Ihrer Gesellschaft, wechseln aber in einen anderen Tarif. Vorteile:
- Altersrückstellungen bleiben vollständig erhalten
- keine neue Gesundheitsprüfung bei Wechsel in gleichwertige oder niedrigere Leistungen
- Möglichkeit der Beitragsoptimierung ohne Verlust des Versicherers
7.2 Wechsel zu höherwertigen Leistungen
Möchten Sie Leistungen verbessern (z. B. bessere Wahlleistungen oder erweiterte Zahnleistungen), erfolgt eine erneute Gesundheitsprüfung. Je nach Diagnosen können Zuschläge oder Ausschlüsse folgen.
7.3 Wechsel zu einer anderen PKV-Gesellschaft
Ein kompletter Anbieterwechsel ist riskanter:
- neue Gesundheitsprüfung
- Rückstellungen gehen meist teilweise verloren
- bei bestehenden Diagnosen kann der Wechsel unmöglich werden
7.4 Anonyme Risikovoranfrage
Bei relevanten Vorerkrankungen empfiehlt sich eine anonyme Anfrage:
- Übermittlung der Diagnose ohne Namensnennung
- Rückmeldung zu Zuschlägen oder Ausschlüssen
- Sicherheit ohne Risiko für den aktuellen Vertrag
8. Stationäre Leistungen – entscheidend für Ihre Versorgung
Stationäre Wahlleistungen sind einer der größten Unterschiede zwischen GKV und PKV. Hier zeigt sich der Qualitätsanspruch eines Tarifs besonders deutlich.
8.1 Chefarztbehandlung – aber richtig
Die meisten Tarife werben mit „Chefarztbehandlung“. Entscheidend ist aber:
- Wer ist liquidationsberechtigt? (Chefarzt, Stellvertreter, Belegarzt?)
- Wie viele GOÄ-Faktoren werden erstattet? (2,3x, 3,5x oder darüber?)
- Werden Honorarvereinbarungen oberhalb 3,5x GOÄ erstattet?
8.2 Einbett- oder Zweibettzimmer
Sie sollten prüfen:
- Ist das Einbettzimmer inkludiert oder kostet es Aufschlag?
- Wie hoch sind die Wahlleistungszuschläge in Ihrer Wunschklinik?
- Übernimmt der Tarif diese vollständig?
9. Pflegeversicherung – Pflicht und sinnvolle Ergänzungen
Mit der PKV sind Sie automatisch in der privaten Pflegepflichtversicherung (PPV). Diese deckt jedoch nur einen Teil der tatsächlichen Kosten ab. Pflege ist ein finanzielles Hochrisiko, das viele unterschätzen.
9.1 Private Pflegepflichtversicherung (PPV)
Die PPV deckt Pflegeleistungen gemäß gesetzlichen Vorgaben, aber:
- Pflegeheimkosten sind nur teilweise abgedeckt
- Eigenanteile im vierstelligen Bereich sind realistisch
- ambulante Pflege wird je nach Pflegegrad limitiert
9.2 Pflegezusatzversicherung
Sinnvolle Erweiterungen sind:
- Pflege-Tagegeld (flexibel einsetzbar)
- Pflegerenten (lebenslange Rente ab Pflegegrad)
- Pflegekostenversicherungen
10. Wechsel aus der GKV in die PKV – formale Schritte korrekt umsetzen
Beim Wechsel aus der GKV in die PKV passieren viele vermeidbare Fehler – meist bei Kündigung, Befreiung oder Terminabstimmung. Eine saubere Vorbereitung schützt vor Doppelbeiträgen und unnötigen administrativen Problemen.
10.1 Versicherungsfreiheit (JAEG) dokumentieren
Voraussetzung ist die Versicherungsfreiheit. Prüfen Sie:
- liegt Ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt über der JAEG?
- sind alle Zulagen korrekt berücksichtigt?
- hat der Arbeitgeber den Status bestätigt?
10.2 Kündigung der GKV und Befreiung von der Versicherungspflicht
Zwei Schritte sind essenziell:
- Kündigung der GKV
- Befreiung von der Versicherungspflicht, falls diese entstanden ist
Eine fehlende Befreiung führt häufig zu Doppelbeiträgen oder Nachforderungen.
10.3 Doppelbeiträge vermeiden
Abstimmen sollten Sie:
- exakter Beginn der PKV
- exaktes Ende der GKV-Mitgliedschaft
- rechtzeitige Vorlage der PKV-Mitgliedsbescheinigung beim Arbeitgeber
10.4 Checkliste Wechsel
- JAEG geprüft
- PKV-Tarif ausgewählt
- GKV gekündigt
- PKV-Mitgliedsbescheinigung beim Arbeitgeber eingereicht
- Bescheinigung der GKV archiviert
11. Steuerliche Aspekte der PKV für Assistenzärzte
Private Krankenversicherung ist nicht nur eine medizinische, sondern immer auch eine steuerliche Entscheidung. Gerade als Assistenzarzt mit wachsendem Einkommen lohnt es sich, die steuerliche Wirkung der Beiträge zu verstehen – sonst vergleichen Sie Netto-Kosten mit Brutto-Beiträgen und treffen falsche Entscheidungen.
11.1 PKV-Beiträge als Sonderausgaben
Ihre Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegepflichtversicherung gehören zum sogenannten steuerlich begünstigten Basisschutz. Dieser Teil ist in der Regel nahezu vollständig als Sonderausgabe absetzbar.
In der Praxis heißt das: Ein relevanter Teil Ihrer PKV-Beiträge senkt Ihr zu versteuerndes Einkommen. Je höher Ihr persönlicher Steuersatz (z. B. als Facharzt), desto stärker wirkt dieser Effekt.
Wichtig ist die Unterscheidung:
- Basistarif / Grundschutz: Anteil für ambulante, stationäre und zahnärztliche Behandlung im Rahmen des GKV-ähnlichen Leistungsniveaus – weitgehend absetzbar.
- Komfort-Mehrleistungen: z. B. Einbettzimmer, Chefarzt, sehr hohe Zahnersatz-Erstattung – steuerlich nur eingeschränkt oder gar nicht begünstigt.
In der Praxis ordnet der Versicherer die Beiträge für Sie auf der Jahresbescheinigung zu. Diese Bescheinigung übermitteln Sie (oder Ihr Steuerberater) an das Finanzamt.
11.2 Arbeitgeberzuschuss – steuerfrei, aber zu berücksichtigen
Der Arbeitgeberzuschuss zu Ihrer PKV ist für Sie steuerfrei. Er taucht auf der Lohnabrechnung auf, erhöht aber nicht Ihr zu versteuerndes Einkommen.
Für Ihre persönliche Netto-Betrachtung ist wichtig:
- Sie zahlen nicht den vollen PKV-Beitrag, sondern nur den Teil abzüglich Arbeitgeberzuschuss.
- Von diesem Eigenanteil ist wiederum ein erheblicher Teil steuerlich absetzbar.
Beispielhaft: Wenn Ihr Eigenanteil 400 € monatlich beträgt und davon steuerlich 300 € als Basisschutz gelten, reduziert das Ihre Steuerlast – je nach Steuersatz – deutlich. Die effektive Nettobelastung liegt dann spürbar unter den 400 €.
11.3 Steuerliche Planung bei steigendem Einkommen
Mit jedem Karriereschritt (Facharzt, Oberarzt, leitende Position) steigen meist:
- Ihr Steuersatz
- Ihr PKV-Beitrag (durch Anpassungen und Optionen)
- und der maximal mögliche Arbeitgeberzuschuss
Die Kombination aus steuerlicher Absetzbarkeit und dynamischem Arbeitgeberzuschuss sorgt dafür, dass Ihre Netto-Kosten langsamer steigen als der bloße Brutto-Beitrag. In einer sauberen Langfristplanung sollten Sie daher nicht nur auf die Beitragshöhe, sondern auf die Netto-Belastung nach Steuern schauen.
12. PKV in besonderen beruflichen Konstellationen
Der Berufsweg eines Arztes verläuft selten linear. Neben der „klassischen“ Festanstellung in der Klinik gibt es Promotionsstellen, Drittmittelprojekte, Nebenjobs und Auszeiten. Jede dieser Konstellationen kann Auswirkungen auf Ihre Versicherungspflicht und damit auf Ihre PKV haben.
12.1 Nebenjobs: Notarzt, Honorararzt, Kurse & Co.
Viele Assistenzärzte sind zusätzlich als Notarzt im Rettungsdienst, auf Honorarbasis oder in Kursen (ATLS, ACLS, Sonografiekurse) tätig. Für die PKV sind zwei Punkte wichtig:
- Art des Nebenjobs: angestellt oder selbständig?
- Höhe und Regelmäßigkeit des zusätzlichen Einkommens.
Für die Frage der Versicherungspflicht in der GKV ist vor allem das Arbeitsverhältnis in der Klinik maßgeblich. Der Nebenjob kann aber in der Gesamtbetrachtung eine Rolle spielen, wenn:
- Sie eine Teilzeitstelle in der Klinik haben und über den Nebenjob Ihre Gesamteinkünfte verändern.
- Sie langfristig in eine selbständige Tätigkeit wechseln (z. B. als Honorararzt).
Entscheidend ist: Sobald Ihre hauptberufliche Konstellation so verändert wird, dass Sie unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze fallen oder „echte“ Selbständigkeit entsteht, kann GKV-Pflicht entstehen. Solche Schritte sollten Sie vorher mit einem spezialisierten Berater und ggf. dem Steuerberater durchsprechen.
12.2 Promotion, Habilitation und Drittmittelstellen
Promotions- oder Habilitationsphasen sind oft mit speziellen Anstellungs- oder Fördermodellen verbunden:
- Befristete halbe oder Dreiviertel-Stellen an der Klinik oder Universität
- Drittmittelprojekte mit projektbezogener Vergütung
- Stipendien ohne klassisches Arbeitsverhältnis
Problematisch wird es insbesondere dann, wenn:
- Sie unter die JAEG rutschen und damit grundsätzlich GKV-pflichtig würden.
- kein reguläres sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis besteht (z. B. reines Stipendium).
In solchen Konstellationen müssen Sie klären:
- Bleibt der Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht bestehen?
- Ist ein Wechsel in die GKV zwingend oder gibt es Gestaltungsmöglichkeiten?
Gerade, wenn Sie bereits seit Jahren PKV-versichert sind und relevante Altersrückstellungen aufgebaut haben, ist ein unüberlegter Wechsel zurück in die GKV selten sinnvoll. Hier geht es um saubere Fristen, korrekte Anträge sowie darum, wie die anschließende Karriere geplant ist (z. B. Rückkehr auf Vollzeitstelle > JAEG).
13. Erweiterte Leistungsbereiche im Ärztealltag
Im klinischen Alltag sehen Sie täglich, wie teuer moderne Medizin ist – im stationären Bereich ebenso wie im ambulanten. Einige Leistungsbereiche sind in der PKV besonders kritisch,
PKV für Assistenzärzte – Kosten, Risiken & Entscheidungsmatrix
Der strategische Leitfaden für Ihre Gesundheitsvorsorge in der Weiterbildung
Ihre einzigartige Ausgangslage als Assistenzarzt
Als Arzt in der Weiterbildung stehen Sie vor einer der wichtigsten finanziellen Entscheidungen Ihrer Karriere: dem Wechsel von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die Private Krankenversicherung (PKV). Dieser Schritt ist in der Regel ab dem zweiten Assistenzarztjahr möglich, sobald Ihr Einkommen die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) überschreitet. Ihre Situation ist jedoch einzigartig und mit besonderen Risiken verbunden, die über die klassische PKV-Beratung hinausgehen. Dieser Leitfaden strukturiert die fünf existenziellen Fallstricke und gibt Ihnen eine klare Entscheidungsmatrix an die Hand.
1. Die Fünf existenziellen Risikofallen für Ärzte
Die Entscheidung für die PKV ist unwiderruflich, sobald Sie das 55. Lebensjahr vollendet haben. Daher müssen Sie die folgenden Risiken nicht nur kennen, sondern aktiv absichern.
Risikofalle 1: Das Krankentagegeld (KTG) – Die größte Liquiditätsfalle
Das Krankentagegeld (KTG) ersetzt im Krankheitsfall das entfallende Nettoeinkommen. Da Assistenzärzte nach den ersten 6 Wochen der Krankschreibung nur noch Anspruch auf das KTG haben und der Arbeitgeberzuschuss zur PKV wegfällt, ist die korrekte Höhe existenzentscheidend.
- Absicherungshöhe: Das KTG sollte so gewählt werden, dass es Ihr Netto-Einkommen (abzüglich der Beiträge für PKV und Pflegepflichtversicherung) vollständig ersetzt. Viele Ärzte versichern zu wenig.
- KTG bei Mutterschutz & Elternzeit: Das KTG leistet nur, wenn Arbeitsentgelt gezahlt wird. Im gesetzlichen Mutterschutz ist es kompliziert. Bei längerer Elternzeit ruht der Anspruch, und es kommt zu einer großen Lücke.
- Die Teilzeit-Falle: Reduzieren Sie nach der Elternzeit auf Teilzeit (z. B. 60–80 %), sinkt Ihr Netto. Ist Ihr KTG dann im Verhältnis zum neuen, niedrigeren Netto zu hoch, hat der Versicherer ein Kündigungsrecht. Dies ist eine der häufigsten Kündigungsursachen bei Ärztinnen in Teilzeit.
Risikofalle 2: Die JAEG-Mobilität und GKV-Rückkehr
Die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) bestimmt, ob Sie versicherungsfrei und damit PKV-fähig sind. Durch häufige Wechsel in der Weiterbildung (Klinik, Uni, Forschung, Teilzeit) droht diese Grenze unterschritten zu werden.
Die JAEG 2025: Die Grenze liegt bei voraussichtlich ca. **73.800 €** brutto pro Jahr.
| Szenario | Risiko | Maßnahme |
|---|---|---|
| Wechsel in die Forschung/Uni | Oft Unterschreitung der JAEG durch Drittmittelstellen oder niedrigere Uni-Gehälter → Sofortige GKV-Pflicht. | Rechtzeitiger Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht (innerhalb von 3 Monaten nach GKV-Pflicht). |
| Teilzeit nach Elternzeit | Gehalt sinkt unter JAEG → GKV-Pflicht. Wird die Befreiungsfrist verpasst, ist die PKV weg. | Fristen (3 Monate) genau beachten. Nur so bleibt die PKV erhalten. |
| Nebenjob als Notarzt/Selbstständig | Selbstständige Einkünfte zählen NICHT zur JAEG. Bei Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze droht GKV-Pflicht, wenn die JAEG im Hauptjob knapp erreicht wird. | Selbstständigkeit auf das Minimum beschränken oder Hauptjob-Gehalt prüfen. |
Risikofalle 3: Kinderkrankentagegeld-Lücke (Kind-Krank)
In der GKV haben Eltern Anspruch auf Kinderkrankengeld, wenn sie ihr krankes Kind pflegen müssen. Dieser Anspruch entfällt für PKV-versicherte Ärzte vollständig. Das ist eine große Einkommenslücke.
Die Lösung: Hier gibt es nur spezielle **Zusatztarife (Kinderkrankentagegeld oder Kinder-Krank-Zusatztagegeld)**, die diese Lücke schließen. Diese müssen zwingend vorab abgeschlossen werden. Rechnen Sie mit ca. 50–100 € pro Jahr pro Kind für diese Absicherung.
Risikofalle 4: Die Berufsunfähigkeits-PKV-Abhängigkeit
Bei Eintritt der Berufsunfähigkeit (BU) fallen zwei Dinge weg:
- Ihr komplettes Einkommen.
- Der Arbeitgeberzuschuss zur PKV.
Ihre BU-Rente (die niedriger ist als Ihr früheres Netto) muss nun **allein** die vollen PKV-Beiträge (die durch das Alter immer teurer werden) bezahlen. Dies ist oft finanziell nicht tragbar.
Strategische Lösung: Die einzige finanzielle Brücke ist der **Beitragsentlastungstarif (BET)**. Dieser Baustein spart Altersrückstellungen an. Er muss im BU-Fall die PKV-Beiträge übernehmen, damit die BU-Rente für den Lebensunterhalt frei bleibt.
Risikofalle 5: Die Beitragsfalle im Alter & die 55-Jahre-Sperre
PKV-Beiträge werden im Alter teurer. Die Altersrückstellungen sind wichtig, aber nicht ausreichend. Ab 55 Jahren ist eine Rückkehr in die GKV fast unmöglich (55-Jahres-Sperre). Die PKV-Entscheidung ist somit für immer. Die Kosten im Rentenalter können hoch sein.
2. Familienplanung, Kindernachversicherung & Kur
Kinder in der PKV: Realistische Kosten und die Nachversicherung
Im Gegensatz zur GKV ist die Mitversicherung von Kindern in der PKV **nicht kostenlos**. Jedes Kind benötigt einen eigenen, vollwertigen PKV-Vertrag.
Kostenbeispiel: Ein guter Kindertarif in der PKV kostet realistisch zwischen **170 € und 240 € pro Kind** pro Monat, abhängig von den gewünschten Leistungen.
Die Neugeborenennachversicherung (wichtigste Frist!)
Ihr Kind hat das Recht, ohne Gesundheitsprüfung und Wartezeiten in Ihren PKV-Tarif (oder einen gleichwertigen) aufgenommen zu werden, selbst wenn es krank geboren wird (z. B. mit einem Herzfehler oder einer Frühgeburt).
Frist: Sie müssen das Kind **innerhalb von zwei Monaten** nach der Geburt anmelden (der Antrag muss dem Versicherer vorliegen). Wird die Frist versäumt, entfällt der Anspruch auf die Nachversicherung ohne Gesundheitsprüfung.
Das Dilemma des Ehepartners: GKV vs. PKV
Sind Sie in der PKV, kann Ihr nicht erwerbstätiger oder gering verdienender Ehepartner **nicht** kostenlos in Ihrer Familienversicherung mitversichert werden (was in der GKV möglich wäre). Für den Ehepartner gibt es nur zwei Optionen:
- Der Ehepartner muss sich selbst freiwillig in der GKV versichern (aktuell ca. 210–240 € pro Monat, abhängig vom Einkommen).
- Der Ehepartner wechselt ebenfalls in die PKV (hohe Kosten).
Strategischer Tipp: Sind Sie in der PKV, aber Ihr Partner in der GKV, können die Kinder **kostenlos beim GKV-Partner familienversichert** werden. Gleichzeitig können Sie über einen **Optionstarif** für das Kind das Recht auf einen späteren PKV-Wechsel ohne erneute Gesundheitsprüfung sichern.
Kur & Kurtagegeld – Ein kleiner, aber relevanter Baustein
Kuren (medizinische Rehabilitation) sind für Ärzte oft wichtig, um nach intensiven Arbeitsphasen oder gesundheitlichen Belastungen wieder fit zu werden. Im Gegensatz zur GKV sind Kuren in der PKV oft besser organisiert und schneller genehmigt.
Das **Kurtagegeld** ist sinnvoll, wenn Sie während der Kur keine Lohnfortzahlung erhalten, da es die täglichen Mehrkosten (Eigenanteil, entfallendes Einkommen) abdeckt. Ein reiner KTG-Tarif für den Krankheitsfall ersetzt keine Kur, hierfür ist ein spezieller Baustein nötig.
3. Konkrete Tarifdetails & Leistungsbeispiele
Gute Ärzterarife zeichnen sich nicht nur durch die Chefarztbehandlung aus, sondern durch die Details, die im Alltag relevant sind.
Ambulante Leistungen und Psychotherapie-Reform
- GOÄ-Satz: Achten Sie darauf, dass der Tarif mindestens bis zum 3,5-fachen Satz der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erstattet. Gerade Chefärzte rechnen oft bis zu diesem Höchstsatz ab.
- Hilfsmittelkatalog: Wählen Sie einen Tarif mit einem offenen Hilfsmittelkatalog. Geschlossene Kataloge listen alles auf, was erstattet wird, offene Kataloge nennen nur Ausschlüsse. Das sichert Sie bei medizinischem Fortschritt ab.
- Psychotherapie: Seit der Reform 2024/2025 sind die Regeln für GKV und PKV komplexer. Achten Sie auf einen Tarif, der mindestens 50 Sitzungen pro Jahr und eine unbegrenzte Anzahl von Akutbehandlungen ohne komplizierte Genehmigungsverfahren erstattet.
Zahnmedizin & Kieferorthopädie (KFO)
Zahnleistungen sind neben dem KTG der zweitgrößte Kostenblock, der häufig unterschätzt wird.
- Zahnersatz: Ein guter Tarif sollte 90–100 % der Kosten für Zahnersatz (Brücken, Kronen, Implantate) abdecken.
- Kinder-KFO: Kieferorthopädie bei Kindern ist teuer (oft 6.000–12.000 €). Viele Standardtarife leisten hier nur 60–80 %. Wählen Sie einen Tarif, der hohe KFO-Leistungen bietet, wenn Kinder geplant sind.
Die Rolle von Ärztekollektiven
Viele Versicherer bieten speziell für Ärzte (über Kammern oder Berufsverbände) sogenannte Kollektivverträge an. Diese sind oft günstiger im Beitrag oder bieten bessere Annahmekonditionen.
| Vorteil (Kollektiv) | Nachteil (Kollektiv) |
|---|---|
| Oft Beitragsnachlässe von 5–10 %. | Tarife sind nicht immer die besten am Markt. |
| Vereinfachte Gesundheitsprüfung (bei kleineren Vorerkrankungen). | Gebunden an die Kollektivzugehörigkeit (z. B. Kammer). |
4. Karriere, Auslandsaufenthalte & Steuern
Auslandsaufenthalte (PJ, Famulatur, Weiterbildung)
Ein Großteil der Assistenzärzte geht während der Ausbildung ins Ausland. Achten Sie auf die Dauer, für die Ihre PKV im Ausland leistet:
- Standardtarife leisten oft nur **3–6 Monate** im Jahr. Bei längeren Abschnitten (z. B. 12 Monate Weiterbildung) müssen Sie eine separate, teure Auslandskrankenversicherung abschließen.
- Prüfen Sie, ob der Tarif unbegrenzt oder mindestens 12 Monate leistet, oder ob die Leistungen in Hochkostenländern (USA, Kanada) begrenzt sind.
Steuerliche Behandlung der PKV-Beiträge
Die Beiträge zur PKV können steuerlich abgesetzt werden, was den Nettoeffekt verbessert.
- Basistarifanteil: Der Großteil des Beitrags (der sogenannte Basistarifanteil) ist als Sonderausgabe/Vorsorgeaufwand absetzbar.
- Arbeitgeberzuschuss: Der Arbeitgeberzuschuss ist steuerfrei.
- BE-Tarife: Beiträge für Beitragsentlastungstarife (BET) sind nur sehr begrenzt steuerlich absetzbar, da es sich um eine Form der Altersvorsorge handelt, die über die Basisversorgung hinausgeht.
5. Altersvorsorge & Entlastungsstrategien
Beitragsentlastungstarife (BET) – Das notwendige Übel
Der Beitragsentlastungstarif ist der einzige Weg, die PKV-Beiträge im Alter planbar und die Beiträge im BU-Fall stemmbar zu machen. Sie zahlen heute einen Zusatzbeitrag (z. B. 100 € monatlich), den Sie in voller Höhe als Beitragsentlastung im Alter (z. B. ab 67) erhalten. Durch Zinseszinseffekte bringt das ein Vielfaches der eingezahlten Summe.
PKV im Alter: Realistische Entwicklung
Obwohl Altersrückstellungen gebildet werden, steigen die Beiträge im Alter weiter an. Man sollte davon ausgehen, dass der Beitrag zum Rentenbeginn (ohne BET) deutlich höher ist als der heutige. Experten rechnen oft mit einem Beitrag von **über 1.000 € pro Monat** für den Rentner (ohne Arbeitgeberzuschuss), wenn keine ausreichenden Entlastungsbausteine vorhanden sind. Dies muss in Ihre Altersvorsorgeplanung einfließen.
6. Ihre Entscheidungs-Checkliste
Verwenden Sie diese Liste, um Ihren Wunschtarif und Ihre Strategie zu prüfen:
- Krankentagegeld (KTG): Ist es auf die korrekte Netto-Höhe (inkl. Wegfall des AG-Zuschusses) gewählt? Habe ich die Teilzeit-Falle berücksichtigt?
- JAEG-Puffer: Ist mein Einkommen stabil über der JAEG? Bin ich auf Jobwechsel (Forschung, Teilzeit) vorbereitet und kenne die 3-Monats-Frist für die Befreiung?
- BU-Strategie: Ist ein Beitragsentlastungstarif (BET) integriert, der im BU-Fall die PKV-Kosten übernimmt?
- Kinderplanung: Sind Kinder geplant? Habe ich einen Tarif mit Option auf GKV-Familienversicherung + PKV-Optionstarif oder zumindest hohen KFO-Leistungen?
- Kinder-Krank: Ist die Lücke des Kinderkrankengeldes (Kind-Krank) über einen Zusatztarif abgesichert?
- GOÄ/Psychotherapie: Leistet der Tarif mindestens bis zum 3,5-fachen Satz und deckt er Psychotherapie ohne komplizierte Genehmigungsverfahren ab?
- Ausland: Bin ich für längere Auslandsaufenthalte (PJ, Weiterbildung) abgesichert?