Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte

Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte
Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte
Berufshaftpflichtversicherung für Anwälte – Praxisleitfaden (Schwerpunkt NRW)

Berufshaftpflichtversicherung für Anwälte
Praxisleitfaden (Schwerpunkt NRW)

Für Berufsanfänger, angestellte und selbstständige Rechtsanwälte: verständlich, vollständig, praxisnah – ohne Marketing-Gelaber.

🇩🇪 Deutschland · Fokus: NRW 📌 Stand: 2025 ⏱️ Lesezeit: ca. 12–18 Minuten

60 Sekunden: Das musst du wirklich wissen

Wenn du heute nur 60 Sekunden hast, nimm das mit:

  • Die Berufshaftpflicht ist Zulassungsvoraussetzung – und sie muss lückenlos laufen. Eine Deckungslücke ist nicht „nur ein Versehen“, sondern potenziell existenzgefährdend.
  • 250.000 € sind das gesetzliche Minimum (je Fall). Das ist ein historisches Zulassungsminimum – nicht automatisch „ausreichend“ für dein Risiko.
  • Schau nicht nur auf die Deckungssumme, sondern auch auf die Jahreshöchstleistung (Aggregat/Maximierung) und den Selbstbehalt.
  • Angestellt heißt nicht sorgenfrei: Du musst organisatorisch sicherstellen, dass du tatsächlich berufsrechtlich korrekt versichert bist – inklusive Nebentätigkeiten/Freundschaftsmandate.
  • Seit der BRAO-Reform gilt: Auch Berufsausübungsgesellschaften brauchen eine eigene Berufshaftpflicht – je nach Haftungsstruktur mit deutlich höheren Mindestanforderungen.
Du willst wissen, welche Deckungssumme für dein Profil sinnvoll ist?
Kurz-Check (kostenfrei) + saubere Empfehlung – ohne „Zwangsverkauf“.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel öffnen / schließen
  1. Warum die Berufshaftpflicht mehr als eine Formalie ist
  2. Die harten Fakten: Mindestanforderungen nach § 51 BRAO
  3. Was ist versichert – und was nicht?
  4. Verstoßprinzip & Deckungslücken: der Klassiker
  5. Wichtige Parameter: Deckungssumme, Aggregat, Selbstbehalt
  6. So findest du die passende Deckungssumme
  7. Angestellte Anwälte: unterschätzte Risiken (Nebenjob, Regress, SB)
  8. Kanzleiformen & BRAO-Reform: BAG, PartG mbB, GmbH & Co.
  9. Syndikusrechtsanwälte: was gilt – was nicht?
  10. Preisrahmen: Was kostet das realistisch?
  11. Schadenfall: Schritt-für-Schritt richtig handeln
  12. Zulassung in NRW: Deckungszusage & typische Praxis
  13. Ergänzende Absicherungen – sauber getrennt
  14. Fazit
  15. FAQ
  16. Glossar

Hinweis: Dieser Ratgeber ist eine Versicherungs- und Praxisorientierung, keine Rechtsberatung. Für individuelle Konstellationen (insbesondere Haftungsbeschränkungen im Mandatsvertrag) ist eine separate rechtliche Prüfung sinnvoll.

Warum die Berufshaftpflicht mehr als eine Formalie ist

Die anwaltliche Berufshaftpflichtversicherung ist keine Kür, sondern berufsrechtliche Pflicht – und gleichzeitig der zentrale Baustein deines Risikomanagements. Wer als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt zugelassen werden will, muss Versicherungsschutz nachweisen und ihn während der Zulassung dauerhaft aufrechterhalten.

Und jetzt der Punkt, den viele Berufsanfänger unterschätzen: Die typische anwaltliche Haftung ist Vermögensschadenhaftung. Es geht selten um „jemand fällt in der Kanzlei hin“, sondern um finanzielle Nachteile deiner Mandanten – oft ausgelöst durch ganz klassische Fehler:

  • Fristversäumnis, unterlassenes Rechtsmittel
  • unvollständige oder fehlerhafte Beratung (Risiko-/Kosten-/Prozessaufklärung)
  • Gestaltungsfehler bei Vertrag, Vergleich, Kündigungsfristen, Sicherheiten
  • Organisationsfehler (Fristenkontrolle, Zuständigkeiten, Vertreterregelung)

Wichtig: Die Berufshaftpflicht ist nicht nur „Zahlung“. Sie ist auch passiver Rechtsschutz: Der Versicherer prüft die Haftung, wehrt unbegründete oder überhöhte Forderungen ab und trägt das Kostenrisiko der Auseinandersetzung. Das ist im Ernstfall oft genauso wertvoll wie die reine Entschädigungsleistung.

Merksatz aus der Praxis:
Der teuerste Schaden ist nicht immer der größte Streitwert – sondern der Fehler, der erst spät auffällt und dann „aus Prinzip“ eskaliert. Eine gute Police ist auch ein gutes Schadenteam.

Die harten Fakten: Mindestanforderungen nach § 51 BRAO

Für die Zulassung und als absolute Untergrenze gelten gesetzliche Mindestparameter. Diese Mindestwerte sind nicht automatisch „empfohlen“, sondern schlicht das, was mindestens vorhanden sein muss.

Gesetzliches Minimum (vereinfacht):
  • Mindestversicherungssumme: 250.000 € je Versicherungsfall
  • Jahreshöchstleistung (Maximierung): mindestens das Vierfache der Mindestversicherungssumme (= 1,0 Mio. € bei Mindestdeckung)
  • Selbstbehalt: berufsrechtlich begrenzt (bei Mindestdeckung praktisch max. 2.500 € je Versicherungsfall)
Wichtig, weil oft falsch verstanden:
„250.000 € je Fall“ klingt nach viel – ist aber in manchen Tätigkeitsprofilen schnell aufgebraucht. Wer mit hohen Vermögensdispositionen, komplexen Vertragswerken oder Transaktionen arbeitet, sollte das Minimum als Zulassungsminimum lesen – nicht als „Risiko passend“.

Hinweis: Bei Berufsausübungsgesellschaften (Kanzleistrukturen) gelten – je nach Haftungsstruktur – eigene Mindestanforderungen. Dazu unten mehr.

Was ist versichert – und was nicht?

Die anwaltliche Berufshaftpflicht ist typischerweise eine Vermögensschadenhaftpflicht: versichert sind gesetzliche Haftpflichtansprüche wegen Vermögensschäden aus der anwaltlichen Berufsausübung.

Versichert (typisch)

  • Vermögensschäden aus Pflichtverletzungen im Mandat
  • Kosten der Anspruchsabwehr (passiver Rechtsschutz)
  • oft: mitversicherte Mitarbeiterhandlungen (im Rahmen der Bedingungen)

Nicht automatisch versichert (typisch)

  • Personen- und Sachschäden im Kanzleibetrieb (dafür eher Büro-/Betriebshaftpflicht)
  • Vorsätzliche/wissentliche Pflichtverletzungen
  • Tätigkeiten außerhalb des vereinbarten Berufsbilds (je nach Bedingungen)
  • Auslandsrisiken ohne vereinbarten Rechtsraum

Genau hier entstehen die typischen Missverständnisse: Die Berufshaftpflicht ist keine „Allgefahr-Kanzleiversicherung“. Wenn du z. B. Cyber-Risiken, Datenpannen, Social Engineering, IT-Ausfälle oder klassische Betriebsrisiken absichern willst, ist das ein separates Thema (und sollte auch separat bewertet werden).

Verstoßprinzip & Deckungslücken: der Klassiker

In der anwaltlichen Vermögensschadenhaftpflicht ist regelmäßig das Verstoßprinzip prägend: Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Pflichtverletzung (des „Verstoßes“) – nicht erst der Zeitpunkt, zu dem der Mandant Ansprüche geltend macht.

Warum das so wichtig ist:
Wenn du beim Versichererwechsel oder beim Start in die Selbstständigkeit eine Lücke produzierst, kann genau der Verstoß in dieser unversicherten Zeit liegen. Dann ist der Schaden später „sichtbar“ – aber nicht mehr gedeckt.

Die drei typischen Lücken-Fallen

  1. Wechsel ohne sauberen Anschluss: alter Vertrag endet, neuer beginnt zu spät – oder die Bestätigung/Deckungszusage ist nicht sauber geregelt.
  2. Nebentätigkeit/Freundschaftsmandat: „War ja privat“ – genau dort fehlt oft die Mitdeckung, wenn nur der Arbeitgeber-/Kanzleischutz greift.
  3. Prämienverzug / Kündigung / Vertragsänderung: administratives Thema, aber berufsrechtlich und praktisch hochgefährlich.
Praktischer Standard:
Beim Wechsel prüft man nicht nur Beitrag und Deckungssumme, sondern vor allem: lückenloser Beginn · Rückwärtsdeckung (falls nötig) · Nachhaftung/Run-off (wenn du beendest) · Meldeobliegenheiten.

Wichtige Parameter: Deckungssumme, Aggregat, Selbstbehalt

Drei Begriffe entscheiden in der Praxis darüber, ob eine Police „gut klingt“ oder im Ernstfall wirklich hilft:

1) Deckungssumme (je Versicherungsfall)

Das ist die Obergrenze, die der Versicherer für einen Schadenfall zahlt. Viele schauen nur darauf – und übersehen den zweiten Punkt.

2) Jahreshöchstleistung / Aggregat (Maximierung)

Das Aggregat begrenzt, wie viel der Versicherer in Summe innerhalb eines Versicherungsjahres zahlt. Gerade wenn mehrere Fälle in einem Jahr passieren (ja, das kommt vor), ist das ein echter Engpass.

3) Selbstbehalt

Der Selbstbehalt ist dein Anteil je Versicherungsfall. Er drückt den Beitrag – aber er ist auch ein Liquiditätsrisiko. Und: Bei Angestellten kann die Frage entstehen, wer im Innenverhältnis den Selbstbehalt trägt (du oder Arbeitgeber).

Typischer Denkfehler:
„Ich nehme den Selbstbehalt hoch, dann wird’s günstiger.“ – Ja. Bis zum ersten Fall. Bei Berufsanfängern ist Liquidität oft knapper als man sich eingestehen will. Nimm nur SB, den du im Ernstfall ohne Drama zahlen kannst.

So findest du die passende Deckungssumme

Die ehrliche Antwort lautet: Es gibt keine „eine“ Zahl, die für jeden Anwalt passt. Aber es gibt klare Faktoren, mit denen du innerhalb von Minuten zu einer sinnvollen Größenordnung kommst.

Die drei Fragen, die wirklich zählen:
  1. Welche Art Mandate? (Routineberatung vs. hohe Vermögensdispositionen / komplexe Gestaltung)
  2. Welche typischen Streitwerte/Volumina? (Arbeitsrecht / Verkehr vs. Immobilie / Gesellschaftsrecht / Transaktion)
  3. Welche Organisationsrealität? (Fristenkontrolle, Vertretung, Kanzleiprozesse – die Fehlerquellen sind oft banal)

Orientierung: Deckungssumme nach Tätigkeitsprofil (Praxiswerte)

Profil (vereinfacht) Typische Empfehlungsspanne Begründung
Berufsstart / eher Standardmandate
z. B. allgemeine Beratung, kleinere Streitwerte
500.000 € – 1.000.000 € Du willst über dem Zulassungsminimum sein, ohne die Police „zu überziehen“.
Prozess-/arbeitsrechtlich geprägt
Fristen, Rechtsmittel, Kostenrisiken
1.000.000 € – 2.000.000 € Fehler wirken schnell endgültig (Rechtsverlust). Streitwerte können springen.
Wirtschaftsrecht / Immobilien / Gestaltungsberatung
Verträge, Transaktionen, Sicherheiten
2.000.000 € – 5.000.000 € Hier sind 250k/500k oft schlicht zu klein, weil das Transaktionsvolumen den Schaden treibt.
Spezielle Tätigkeiten am Rand
Treuhand, Abwicklung, besondere Rollen
individuell – oft mit Exzedent Hier entscheidet weniger „Mut“, mehr saubere Bedingungsarbeit: Rechtsraum, Tätigkeitsumfang, Sublimits.
Wichtig:
Die Tabelle ist eine Orientierung. Entscheidend ist, ob dein konkretes Tätigkeitsprofil (inkl. Nebentätigkeiten) in den Bedingungen tatsächlich erfasst ist und ob das Aggregat zur Deckungssumme passt.

Exzedentenlösung: „zweite Schicht“ für Großschäden

Wenn du im Alltag keine extreme Summe vorhalten willst, aber Großschäden nicht „ungedeckt“ lassen möchtest, ist eine Exzedentenlösung oft sinnvoll: Grunddeckung + zusätzliche Deckungsschicht ab einem bestimmten Betrag. Das ist klassische Handwerksarbeit – nicht Marketing.

Du bist unsicher, welche Stufe zu deinem Profil passt?
Ich stelle dir 2–3 saubere Varianten gegenüber (inkl. Aggregat, SB, Rechtsraum, Nebenmandate).

Angestellte Anwälte: die unterschätzten Risiken

„Ich bin angestellt, die Kanzlei hat doch eine Berufshaftpflicht.“ – Ja, häufig stimmt das. Aber genau hier passieren die Anfängerfehler. Entscheidend ist nicht das Bauchgefühl, sondern ob du tatsächlich berufsrechtlich korrekt versichert bist und ob die Police deine Tätigkeit abdeckt.

Was du als Angestellter konkret prüfen solltest:
  • Bin ich als Person berufsrechtlich nachweisbar versichert? (z. B. über Kanzleipolice/Sammelpolice oder separate persönliche Police)
  • Gilt die Deckung auch für meine tatsächlichen Aufgaben? (Rechtsgebiete, Verantwortungsniveau, Vertretung)
  • Was ist mit Nebentätigkeiten? (Freundschaftsmandate, private Rechtsauskünfte, Nebenkanzlei, Dozententätigkeit mit Rechtsbezug etc.)
  • Wer trägt den Selbstbehalt im Innenverhältnis? (Arbeitsvertrag / Kanzleiregelung)
  • Wer meldet Schäden – und wie schnell? (Prozess in der Kanzlei)

Die „Nebenjob-Falle“ (Freundschaftsmandate)

Ein Klassiker: Du hilfst einem Freund „nur kurz“ bei einer Kündigung, einem Vertrag oder einer Frist – und später wird daraus Streit. Wenn die Kanzleipolice ausschließlich die Tätigkeit für den Arbeitgeber abdeckt, kann für private Nebenmandate schlicht kein Versicherungsschutz bestehen. Das ist kein theoretisches Problem, sondern passiert in der Praxis.

Klare Linie (altmodisch, aber bewährt):
Entweder: keine privaten Mandate. Oder: schriftlich sauber über Kanzlei/Police abgedeckt. „Wird schon passen“ ist in diesem Bereich die falsche Lebenshaltung.

Selbstbehalt & Regress: Regel das im Arbeitsvertrag

Selbst wenn die Kanzlei versichert ist, kann im Innenverhältnis die Frage entstehen, wer den Selbstbehalt trägt. Sinnvoll ist eine klare arbeitsvertragliche Regelung (oder eine Kanzleirichtlinie), damit es im Schadenfall nicht zusätzlich knallt.

Praxis-Tipp:
Bitte die Kanzlei um eine kurze schriftliche Bestätigung: „Nebenmandate ja/nein, wenn ja unter welchen Bedingungen“ und „SB-Tragung geregelt“. Das ist kein Misstrauen – das ist professionelle Hygiene.

Kanzleiformen & BRAO-Reform: BAG, PartG mbB, GmbH & Co.

Seit der BRAO-Reform gilt in der Praxis ein Grundsatz, den viele übersehen: Berufsausübungsgesellschaften benötigen eine eigene Berufshaftpflichtversicherung – unabhängig von der Rechtsform. Das tritt neben die persönliche Versicherungspflicht der einzelnen Berufsträger.

Warum das für Berufsanfänger relevant ist:
Du bist vielleicht „nur angestellt“ – aber du arbeitest in einer Struktur, die eigene Versicherungsanforderungen auslöst. Wenn das nicht sauber gelöst ist, ist das ein Kanzleirisiko – und im Zweifel auch ein persönliches Problem, wenn im Schadenfall Zuständigkeiten/Deckungen streitig werden.

Haftungsbeschränkt vs. haftungsunbeschränkt – die logische Trennlinie

Die Mindestversicherungssummen für die Gesellschaft hängen maßgeblich davon ab, ob die Gesellschaft haftungsbeschränkt organisiert ist. Stark vereinfacht (nur zur Orientierung):

Gesellschafts-Konstellation (vereinfacht) Typische Mindestanforderung (Orientierung) Worauf du achten musst
Berufsausübungsgesellschaft ohne Haftungsbeschränkung
z. B. klassische Sozietät/BAG ohne besondere Haftungsbegrenzung
mind. 500.000 € je Fall
+ passende Jahreshöchstleistung
Eigene Police der Gesellschaft + saubere Abgrenzung zur persönlichen Police.
Haftungsbeschränkte Struktur
z. B. PartG mbB, GmbH-Modelle (je nach Ausgestaltung)
mind. 2.500.000 € je Fall
+ besondere Maximierungs-/Multiplikationslogik
Hier werden Summen schnell groß. Außerdem: je nach Anzahl der Berufsträger greifen Multiplikationsregeln für die Jahreshöchstleistung.
Ganz wichtig (und oft falsch gemacht):
Die Gesellschaftspolice ersetzt nicht automatisch deine persönliche Nachweispflicht – und umgekehrt. In sauberen Kanzleien ist das abgestimmt: persönliche Nachweise + Gesellschaftsvertrag/Haftungskonzept + passende Gesellschaftsdeckung.

„Scheinsozietät“ / Außenauftritt

Auch wenn du das Thema nicht liebst: Der Außenauftritt (Briefkopf, Website, E-Mail-Signaturen, Mandatsannahme) kann die Einordnung beeinflussen. Es ist sinnvoll, dass Kanzlei und Versicherer ein einheitliches Bild davon haben, wer in welcher Struktur tätig ist – gerade bei mehreren Berufsträgern.

Du bist in einer Kanzlei/Sozietät und willst prüfen, ob alles BRAO-konform versichert ist?
Ich mache daraus einen klaren Prüfplan: Person(en) · Gesellschaft · Summen · Maximierung · Nebenmandate.

Syndikusrechtsanwälte: was gilt – was nicht?

Bei Syndikusrechtsanwälten muss man sauber trennen:

Praktische Einordnung:
  • Für die Syndikuszulassung ist der Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung nach § 51 BRAO als solcher nicht erforderlich.
  • Sobald du daneben als „klassischer“ Rechtsanwalt tätig bist (externe Mandate, Nebenzulassung o. ä.), ist das Thema Berufshaftpflicht wieder ganz normal relevant – inklusive Nebenmandats- und Lückenrisiken.
Praxis-Hinweis:
Viele Probleme entstehen nicht in der Syndikustätigkeit selbst, sondern im „nebenbei“ (private Mandate, alte Zulassung, Übergangsphasen). Genau dort muss die Deckung eindeutig sein.

Preisrahmen: Was kostet das realistisch?

Du willst eine ehrliche Orientierung. Hier ist sie – ohne Lockpreise. Die Prämie hängt vor allem ab von Deckungssumme, Aggregat, Selbstbehalt, Tätigkeitsprofil (Rechtsgebiete, Volumina), Umsatz/Struktur, Rechtsraum und ggf. Vorschäden.

Typische Konstellation (vereinfacht) Grobe Jahres-Spanne Kommentar
Berufsanfänger (einfaches Profil)
häufig: niedrige Deckung, überschaubare Tätigkeiten
ca. 150 € – 600 € Hier entscheidet oft weniger der Beitrag als die Frage: „deckt es Nebenmandate / Rechtsraum / Bedingungen sauber ab?“
Selbstständig, typische Kanzleipraxis ca. 600 € – 2.500 € Breite Spanne, weil Tätigkeiten extrem unterschiedlich sind. Deckungssumme & SB bestimmen stark mit.
Hohes Risiko / hohe Summen / Gesellschaftsdeckung oft deutlich darüber Bei haftungsbeschränkten Gesellschaften können Mindestanforderungen und Maximierung die Prämie treiben.
Klartext:
„Billig“ ist hier selten gut. Eine Police ist nur so gut wie ihre Bedingungen, ihr Rechtsraum, die Deckung für dein tatsächliches Berufsbild – und ein Schadenservice, der nicht erst diskutiert, wenn es brennt.

Schadenfall: Schritt-für-Schritt richtig handeln

In der Theorie weiß jeder: „Nichts anerkennen, früh melden.“ In der Praxis passiert genau das Gegenteil – aus Stress, aus Höflichkeit oder weil man es „schnell lösen“ will. Deshalb hier ein klarer Ablauf, wie es traditionell sauber gemacht wird:

Schritt-für-Schritt (bewährt):
  1. Ruhe bewahren – nichts vorschnell zusagen. Keine Schuldanerkenntnisse, keine „Ich überweise dir das schnell“.
  2. Unverzüglich melden (auch wenn noch unklar ist, ob wirklich ein Schaden entsteht). Lieber einmal zu früh als einmal zu spät.
  3. Dokumentation sichern: Akte, Fristenverlauf, E-Mails, Telefonnotizen, Zuständigkeiten, Vertreterregelung.
  4. Kommunikation steuern: Mandantenkommunikation sachlich, keine Eskalation, keine rechtlichen Bewertungen „im Affekt“.
  5. Mit dem Versicherer kooperieren: Unterlagen liefern, Rückfragen beantworten, abgestimmte Strategie fahren.
  6. Intern prüfen: Organisationsfehler abstellen (Fristenkontrolle, 4-Augen, Checklisten), damit es nicht doppelt passiert.
Das häufigste Eigentor:
Aus schlechtem Gewissen wird schnell ein Anerkenntnis. Das kann deckungsrechtlich Ärger machen – und nimmt dem Versicherer die Chance, unberechtigte oder überzogene Forderungen sauber abzuwehren.

Zulassung in NRW: Deckungszusage & typische Praxis

In NRW ist die Praxis meist pragmatisch: Für die Zulassung brauchst du den Nachweis der Berufshaftpflicht oder eine vorläufige Deckungszusage. In den Antragsunterlagen wird oft ausdrücklich ein Original gefordert.

Praxisablauf (typisch):
Du beantragst die Police so, dass sie auf den beabsichtigten Zulassungstermin passt, lässt dir eine Deckungszusage/Bestätigung ausstellen, reichst diese bei der Kammer ein – und führst den Schutz danach lückenlos fort.
Wichtig:
Plane das nicht „für nächste Woche“. Kammerprozesse, Urkunden, Vereidigung und Versichererbestätigung müssen zusammenpassen. Der stressfreie Weg ist der alte: frühzeitig beantragen, schriftlich sauber, ohne Hektik.

Ergänzende Absicherungen – sauber getrennt (aber sinnvoll)

Neben der Berufshaftpflicht können je nach Kanzlei-Setup weitere Bausteine sinnvoll sein. Wichtig ist die Trennung: Nicht alles „in die Berufshaftpflicht hineinwünschen“, sondern sauber passend absichern.

Büro-/Betriebshaftpflicht

Für Personen-/Sachschäden im Kanzleibetrieb (z. B. Mandant stürzt, Mietsachschäden).

  • sinnvoll bei Kundenverkehr
  • oft günstig ergänzbar

Cyber / IT-Risiken

Datenpannen, Verschlüsselungstrojaner, Social Engineering, Betriebsunterbrechung.

  • bei digitalem Akten-/Mail-Workflow besonders relevant
  • Deckung sollte zu Prozessen & Dienstleistern passen
Pragmatischer Hinweis:
Erst die Berufshaftpflicht sauber. Dann die Ergänzungen. Wer das umdreht, hat oft „viel Versicherung“ – aber nicht die richtige.

Fazit

Die Berufshaftpflicht ist für Anwälte nicht verhandelbar – weder berufsrechtlich noch praktisch. Wer sie als Formalie behandelt, handelt sich genau das Risiko ein, das man am Anfang nicht brauchen kann: Streit, Kosten, Zeitverlust, Reputationsschaden – und im Extremfall Existenzfragen.

Entscheidend sind nicht Hochglanzversprechen, sondern saubere Grundlagen: lückenloser Schutz, passende Deckungssumme zum Tätigkeitsprofil, stimmiges Aggregat, sinnvoller Selbstbehalt, klare Regelungen bei Angestellten (Nebenmandate/SB) und – seit der BRAO-Reform – ein Blick auf die Kanzleiform und die Gesellschaftsdeckung.

Wenn du willst, mache ich dir daraus eine klare Entscheidung:
2–3 saubere Varianten + kurzer Vergleich, was wirklich unterschiedlich ist (nicht nur „Beitrag“).

FAQ – häufige Fragen

Reicht die gesetzliche Mindestdeckung (250.000 €) für den Berufsstart?

Für die Zulassung: ja, als Minimum. Für dein tatsächliches Risiko: häufig nein – je nach Rechtsgebiet, Streitwertnähe und Gestaltungsanteil. Viele starten heute bewusst oberhalb des Minimums (z. B. 500k/1 Mio), um nicht mit „Zulassungsminimum“ zu arbeiten.

Was ist wichtiger: Deckungssumme oder Aggregat?

Beides. Die Deckungssumme schützt dich im Einzelfall, das Aggregat bei mehreren Fällen im Jahr. Wer nur auf die Deckungssumme schaut, kann beim zweiten Fall im selben Jahr eine böse Überraschung erleben.

Ich bin angestellt. Muss ich mich überhaupt kümmern?

Ja – mindestens organisatorisch. Du musst sicherstellen, dass du berufsrechtlich korrekt versichert bist und die Deckung zu deiner Tätigkeit passt. Besonders kritisch sind Nebenmandate/Freundschaftsmandate und die Frage, wer den Selbstbehalt trägt.

Was ist die größte Anfängerfalle?

Deckungslücken beim Wechsel oder beim Start in die Selbstständigkeit – und private „Nebenmandate“, die nicht mitversichert sind. Der zweite Klassiker: Im Schadenfall vorschnell etwas anerkennen.

Gilt die Berufshaftpflicht auch im Ausland?

Nur, wenn der Rechtsraum/die Auslandskomponente in den Bedingungen passend vereinbart ist. Wer internationalen Bezug hat (Mandanten, Verträge, Gerichte, Rechtsberatung), sollte das nicht „hoffen“, sondern schriftlich sauber regeln.

Was bedeutet „Verstoßprinzip“ in einem Satz?

Entscheidend ist, wann der Fehler passiert ist – nicht wann der Mandant den Schaden geltend macht. Deshalb sind lückenlose Übergänge und saubere Vertragswechsel so wichtig.

Was ist eine Exzedentenlösung?

Eine zusätzliche Deckungsschicht für Großschäden: Du hast eine Grunddeckung (z. B. 1 Mio) und darüber eine weitere Police, die ab einem bestimmten Betrag einsetzt. Das ist oft eine pragmatische Lösung, wenn du „normal“ arbeiten willst, aber Großrisiken nicht offen lassen möchtest.

Braucht eine Sozietät / Berufsausübungsgesellschaft eine eigene Berufshaftpflicht?

Ja, seit der BRAO-Reform ist die Gesellschaftsversicherung praktisch ein Pflicht-Thema – unabhängig von der Rechtsform. Je nach Haftungsstruktur gelten deutlich erhöhte Mindestanforderungen. Das muss zur persönlichen Versicherungspflicht passen.

Was sollte ich dem Versicherer bei Antragstellung unbedingt sagen?

Tätigkeitsprofil (Rechtsgebiete, besondere Rollen), Rechtsraum/Ausland, geplante Nebentätigkeiten, Kanzleiform/Struktur, gewünschte Deckungssumme/Aggregat/SB – und ob eine Gesellschaftsdeckung erforderlich ist.

Glossar – Begriffe kurz und klar

Begriff Erklärung
Berufshaftpflicht (anwaltlich) Vermögensschadenhaftpflicht für Haftungsansprüche aus anwaltlicher Berufsausübung; inkl. Abwehr unberechtigter Forderungen.
Vermögensschaden Finanzieller Nachteil, der nicht unmittelbar aus Personen- oder Sachschaden folgt (typische anwaltliche Haftung).
Deckungssumme Maximalleistung des Versicherers je Versicherungsfall.
Aggregat / Jahreshöchstleistung (Maximierung) Maximalleistung des Versicherers für alle Fälle innerhalb eines Versicherungsjahres.
Selbstbehalt Dein eigener Kostenanteil je Schadenfall. Senkt Beiträge, erhöht aber Liquiditätsrisiko.
Verstoßprinzip Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Pflichtverletzung (nicht der Zeitpunkt der Anspruchserhebung).
Rückwärtsdeckung Deckung für Verstöße, die vor Vertragsbeginn passiert sind (nur, wenn vereinbart/erfasst).
Nachhaftung / Run-off Deckung für später geltend gemachte Ansprüche nach Ende der Tätigkeit – soweit Bedingungen das vorsehen/vereinbart ist.
Exzedent Zusätzliche Deckungsschicht über einer Grunddeckung – sinnvoll bei Großschadenrisiken.
Obliegenheit Verhaltenspflichten aus dem Vertrag (z. B. Schaden melden, nicht anerkennen, mitwirken). Verletzung kann Nachteile bringen.
Berufsausübungsgesellschaft (BAG) Kanzleistruktur für gemeinsame Berufsausübung; seit BRAO-Reform i. d. R. mit eigener Versicherungspflicht der Gesellschaft.
PartG mbB Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung; häufig mit deutlich erhöhten Mindestversicherungssummen verbunden.
Syndikusrechtsanwalt Anwalt in Unternehmensanstellung mit besonderer Zulassung. Für die Syndikuszulassung ist der §-51-Nachweis nicht zwingend; bei externer Anwaltstätigkeit wird das Thema wieder relevant.
Deckungszusage Vorläufige Bestätigung des Versicherers über bestehenden/kommenden Versicherungsschutz – häufig für Kammer/Zulassungspraxis genutzt.
Passiver Rechtsschutz Funktion der Haftpflicht: Prüfung und Abwehr unberechtigter Ansprüche – der Versicherer führt den Streit.

Tipp: Wenn du beim Lesen merkst, dass du in einer konkreten Konstellation hängst (Nebenmandat, Kanzleiform, Ausland, hohe Summen), ist das kein „du bist zu doof“-Moment – das ist normal. Genau dafür gibt es saubere Risiko- und Bedingungsarbeit.

Quellen & Vertiefung (optional)

Wenn du die gesetzlichen Grundlagen im Original nachlesen willst, findest du die maßgeblichen Normen und typische NRW-Zulassungsunterlagen hier:

Hinweis: Diese Links dienen der Transparenz. Für die konkrete Ausgestaltung ist am Ende entscheidend, was in deinem Versicherungsvertrag/Bedingungen steht.

Foto Jan Pohl
Jan Pohl Versicherungsmakler

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