19. November 2025

PKV für Assistenzärzte – Kosten, Risiken

PKV für Assistenzärzte – Kosten, Risiken & Entscheidungsmatrix

Dieser Expertenbericht fasst die essenziellen regulatorischen, finanziellen und medizinischen Aspekte der Privaten Krankenversicherung (PKV) zusammen, die für Assistenzärzte in Deutschland im Rahmen ihrer Karriereplanung und Familiengründung relevant sind. Der Fokus liegt auf den oft übersehenen Existenzrisiken und den strategischen Vorteilen, die nur durch eine fundierte Tarifwahl und proaktive Statuspflege realisiert werden können.

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I. Strategische Einordnung: Voraussetzungen und Marktübersicht

1. Die regulatorische Eintrittshürde: Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG)

Voraussetzung für den PKV-Wechsel ist die Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) durch das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt (RJE) aus abhängiger Beschäftigung. Die JAEG ist damit der kritische Schwellenwert für die Versicherungsfreiheit.

Jahr Allgemeine JAEG (Versicherungspflichtgrenze) Notwendiges RJE pro Monat (12x)
2025 €73.800 €6.150

Das monatliche Bruttogehalt eines Assistenzarztes im zweiten Weiterbildungsjahr (ca. €5.945,86) liegt oft unter dem monatlichen Schwellenwert. Die PKV-Fähigkeit hängt daher zwingend von der Anrechnung vertraglich zugesicherter Einmalzahlungen (wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld) ab, die das RJE über die JAEG heben.

2. Marktüberblick und Spezialtarife für Ärzte

Versicherer wie Allianz, AXA/DBV, Barmenia, Continentale und Inter bieten auf Mediziner zugeschnittene Spezialtarife ("Ärzte-Tarife") an. Diese basieren auf der Annahme, dass Akademiker ein besseres Gesundheitsbewusstsein zeigen und langfristig geringere Leistungskosten verursachen.

  • Vorteil des frühen Einstiegs: Ein früher PKV-Einstieg sichert günstige Alterseintrittsbeiträge und optimiert die Gesundheitsprüfung, da in jungen Jahren statistisch weniger Vorerkrankungen vorliegen.
  • Risiko des Kollektivs: Spezialtarife bergen das Risiko, dass eine überdurchschnittliche Inanspruchnahme von Leistungen innerhalb des homogenen Kollektivs (z.B. durch berufsbedingte psychische Belastungen) langfristig zu höheren Beitragssteigerungen führen kann.
Infobox: Das Assistenzarzt-Modell (Liquiditätsbrücke)

Einige Spezialtarife (z.B. Continentale Premium-Med) bieten Assistenzärzten einen deutlich günstigeren Einstieg, indem die volle Bildung der Altersrückstellungen (AR) bis zum Facharztabschluss (max. 39. Lebensjahr) verzögert wird. Dieses Modell schafft Liquidität während der Ausbildung, führt aber zu einem signifikanten Beitragssprung, sobald der Facharztstatus erreicht ist.


II. Die Existenzsicherung: KTG, BU und die Altersvorsorge

3. Das Krankentagegeld (KTG) – Absicherung des Nettoeinkommens

Für privatversicherte Angestellte ist die KTG-Versicherung der wichtigste Baustein, da nach Ablauf der 42-tägigen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber kein gesetzliches Krankengeld mehr gezahlt wird.

Kriterium Strategische Anforderung für Assistenzärzte
Höhe Bis zu 100 Prozent des Nettoeinkommens. Bei einem Netto von z.B. €3.290 (Basis 2. Jahr) ist ein Tagessatz von ca. €110 notwendig.
Karenzzeit Ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit.
Entwicklung Vertrag muss jährliche Dynamik (Anpassung der KTG-Höhe) an das steigende Gehalt ohne erneute Gesundheitsprüfung ermöglichen.

4. KTG-Lücken in der Familienphase und Teilzeit

In der Familienphase entstehen durch gesetzliche Schutzzeiten und flexible Arbeitsmodelle kritische Lücken in der KTG-Absicherung:

  • Krankheit in der Elternzeit (0% Tätigkeit): Das KTG wird auf Ersatzleistungen wie Elterngeld angerechnet und fällt in der Regel aus. Strategie: KTG-Tarif für die Dauer der vollen Elternzeit reduzieren, um unnötige Prämien zu vermeiden.
  • Individuelles Beschäftigungsverbot (IBV): Bei Risikoschwangerschaften sichert das IBV der Ärztin die Auszahlung des vollen Gehalts vom Arbeitgeber.

5. Die Berufsunfähigkeits (BU)-Falle und Beitragsentlastung

Im Falle einer Berufsunfähigkeit (BU) entfällt der Arbeitgeberzuschuss komplett, während der volle PKV-Beitrag (Kranken- und Pflegepflichtversicherung) bestehen bleibt.

ACHTUNG: Die BU-Falle verstehen

Der volle PKV-Beitrag muss aus der oft niedrigeren, zu versteuernden BU-Rente finanziert werden. Die private Pflegepflichtversicherung (PVN) bietet zudem nur eine Basisabsicherung (max. €901/Monat im PG 5), die die tatsächlichen Pflegekosten nicht deckt.

Die Strategische Lösung: Beitragsentlastungstarife (BET)

BET sind ein **langfristiges** Gegenmittel. Beiträge werden vom Arbeitgeber subventioniert und sind steuerlich absetzbar. Sie bilden Kapital, das deine Beitragslast **im Alter** massiv senkt. Dieses aufgebaute Kapital kann auch **indirekt** helfen, die Beitragsbelastung im Falle einer dauerhaften BU zu finanzieren.


III. Karriere-Mobilität: JAEG-Fallen und Status-Management

6. Das Risiko der Notarzttätigkeit (Nebenjob)

Die Tätigkeit als Notarzt (Honorararzt) ist sozialversicherungsrechtlich komplex. Wenn der Notarztdienst als selbstständig/freiberuflich eingestuft wird, zählt das Einkommen nicht zur JAEG.

Risikofolge: Bei einem Hauptgehalt, das nur knapp über der JAEG liegt, kann der PKV-Status bei Schwankungen oder Stundenreduzierung verloren gehen, da das Honorar-Einkommen zur Sicherung der JAEG nicht herangezogen werden darf.

7. JAEG-Unterschreitung und Statuswechsel

Jede Unterschreitung der JAEG führt zur GKV-Pflicht :

  • Teilzeit nach Elternzeit: Führt zur Unterschreitung der JAEG. Die Befreiung von der GKV-Pflicht muss innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Teilzeit beantragt werden. Wird diese Frist versäumt, ist der Wechsel in die GKV unvermeidlich.
  • Wechsel aus Selbstständigkeit: Ein ehemaliger Selbstständiger wird nach Aufnahme einer Angestelltentätigkeit oberhalb der JAEG für mindestens drei Kalenderjahre versicherungspflichtig in der GKV.
  • Anwartschaftsversicherung (A-Tarif): Sollte ein Wechsel in die GKV unvermeidbar sein, sichert der A-Tarif das Recht auf einen späteren PKV-Einstieg ohne erneute Gesundheitsprüfung.

8. PKV bei Auslandsaufenthalten

Der Schutz der PKV bei Auslandsaufenthalten ist zeitlich limitiert (meist 1 bis 3 Monate).

  • Längere Aufenthalte: Müssen individuell vereinbart und der Schutz verlängert werden.
  • USA/Kanada-Risiko: Lokale Health Insurance Plans an kanadischen Hochschulen sind oft obligatorisch.

IV. Familienplanung: Die Kinder- und Partner-Kostenmatrix

9. Die Kostenfalle Kinderversicherung

Die PKV bietet keine kostenlose Familienversicherung. Die Kosten für ein Kind liegen realistisch zwischen €97 und €331 monatlich.

Wann ist die GKV-Familienversicherung ausgeschlossen?

Kinder können nicht beitragsfrei in der GKV familienversichert werden, wenn beide folgenden Bedingungen erfüllt sind:

  1. Der PKV-versicherte Arzt verdient mehr als der GKV-versicherte Partner, und
  2. Das monatliche Gesamteinkommen des Arztes übersteigt regelmäßig den Schwellenwert von €6.150 (2025).

10. Kindernachversicherung und Optionstarife

  • Kindernachversicherung: Ermöglicht die Aufnahme des Kindes in die PKV des Arztes innerhalb von zwei Monaten nach Geburt ohne Gesundheitsprüfung. Dies ist ein unschätzbarer Vorteil bei Frühgeburten oder gesundheitlichen Problemen.
  • Optionstarif: Sichert dem Kind (das in der GKV versichert ist) das Recht auf einen späteren PKV-Einstieg ohne erneute Gesundheitsprüfung.
  • Kinderkrankengeld-Lücke: Privatversicherte haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Kinderkrankengeld. Im Krankheitsfall droht ein 100%iger Nettoverdienstausfall.

11. Zahnmedizin & KFO: Die Kostenbombe im Kindesalter

Kieferorthopädische Behandlungen (KFO) sind ein signifikanter Kostenblock (€6.000 bis €12.000).

  • Die GKV-Regelversorgung deckt nur medizinisch notwendige Behandlungen (KIG 3–5) ab und zahlt nicht für moderne Materialien.
  • Fristenwarnung: Ein PKV-Zusatzschutz muss unbedingt abgeschlossen werden, bevor der Behandlungsbefund (Notwendigkeit der Zahnspange) festgestellt wurde.

V. Tarifdetail-Analyse: Erstattung und Qualität

12. Ambulante und Stationäre Leistungsmerkmale

Leistungsdetail PKV-Premium-Benchmark Risikohinweis
GOÄ über 3,5-fach Erstattung auch über den 3,5-fachen Satz hinaus (offene Liquidation). Die Limitierung auf 3,5x kann zur Chefarztfalle führen; der Patient trägt die Differenz.
Psychotherapie Keine Begrenzung der Sitzungszahl und Erstattung erhöhter Sätze (3,5x) bei Notwendigkeit. Die Abrechnungsempfehlungen (seit 07/2024) ermöglichen Akutbehandlungen ohne Antrag; der Tarif muss dies honorieren.
Hilfsmittel Offener Hilfsmittelkatalog. Ein geschlossener Katalog schließt neue, innovative oder teure Hilfsmittel aus, wenn sie nicht explizit genannt sind.

13. Kostenkontrolle und Langzeitoptimierung

  • Beitragsrückerstattung (BRE): Kann bis zu 6 Monatsbeiträge zurückerstatten, wenn keine Rechnungen eingereicht werden. Strategische Selbstzahlung kleiner Rechnungen ist nötig, um die hohe BRE zu sichern.
  • Interner Tarifwechsel (§ 204 VVG): Ermöglicht den Wechsel in einen günstigeren Tarif beim eigenen Versicherer. Die Altersrückstellungen (AR) bleiben zu 100 % erhalten. Dies ist der sicherste Weg zur Langzeitoptimierung, insbesondere nach Morbidität (Krankheit).

VI. Steuerliche und Langfristige Beitragsstrategien

14. Die steuerliche Entlastung

Die Beiträge zur PKV (Basisabsicherung) und PVN sind als Sonderausgaben absetzbar (max. €1.900/Jahr für Angestellte).

Modellrechnung BET (Leverage):

Die Einzahlung von €5.000 in den BET erzeugt sofort einen Steuervorteil von ca. €1.736 (bei 42% Grenzsteuersatz) und wird durch den AG-Zuschuss subventioniert. Der BET ist das einzige Instrument, das die PKV-Beiträge im Alter oder bei BU-Eintritt mit hohem Leverage senkt.

15. Realistische Szenarien zur Beitragsentwicklung im Alter

Der PKV-Beitrag passt sich im Ruhestand nicht an geringere Einkünfte an. Ohne Vorsorge muss der volle Beitrag aus dem reduzierten Renteneinkommen finanziert werden.

Die Altersfalle 55: Die Entscheidung für die PKV wird ab dem 55. Lebensjahr praktisch unumkehrbar. Nur in sehr engen, extrem seltenen Fällen (z. B. Wechsel in die Familienversicherung des GKV-Ehepartners mit Einkommen unter €535/Monat) ist eine Rückkehr in die GKV möglich.

Strategische Checkliste für Assistenzärzte (Zusammenfassung)
  • KTG: 100% Nettoabsicherung ab dem 43. Tag.
  • Familie: Kindernachversicherung (2 Monate Frist) oder Optionstarif.
  • KFO: Schutz vor dem Befund abschließen.
  • Mobilität: Bei Teilzeit innerhalb von 3 Monaten Befreiung von der GKV-Pflicht beantragen.
  • Altersvorsorge: BET mit maximalem Arbeitgeberzuschuss nutzen.

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Foto Jan Pohl
Jan Pohl Versicherungsmakler -Fachwirt für Finanzberatung IHK

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