Berufshaftpflichtversicherung für niedergelassene Allgemeinmediziner – Leitfaden 2025/2026
Was Sie als Hausärztin oder Hausarzt 2025/2026 zur Berufshaftpflicht wirklich wissen müssen – rechtlich sauber, praxisnah und ohne Verkaufsdruck.
Die Berufshaftpflicht ist für Ärztinnen und Ärzte berufsrechtliche und seit § 95e SGB V (gesetze-im-internet.de) auch sozialrechtliche Pflicht. Sie bildet den finanziellen Schutzschirm, wenn aus einem Behandlungsfehler oder einer Organisationspanne ein Schaden wird. Grundlagen zur Berufshaftpflichtversicherung finden Sie auch in der neutralen Übersicht auf wikipedia.org .
1. Grundlagen und rechtlicher Rahmen
Berufshaftpflicht in 60 Sekunden – Kurzfassung für den Praxisalltag
- Erstens: Für Vertragsärzte besteht eine berufsrechtliche und über § 95e SGB V auch eine sozialrechtliche Pflicht, eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung zu halten. Ohne gültige Police riskieren Sie Sanktionen der Kammer, das Ruhen der Zulassung und im Extremfall Ihre Approbation.
- Zweitens: Die gesetzliche Mindestdeckung liegt bei 3 Mio. € je Schadenfall für Einzelpraxen ohne angestellte Ärzte und bei 5 Mio. € je Schadenfall für Praxen mit angestellten Ärzten. In der Praxis sind 5 Mio. € pauschal mit mindestens dreifacher Jahresmaximierung für Allgemeinmediziner sinnvoll.
- Drittens: Ihre Berufshaftpflicht bezahlt nicht nur Schmerzensgeld und Folgekosten bei echten Behandlungsfehlern, sondern prüft und wehrt auch unberechtigte Forderungen ab – sie ist damit immer Ihr juristisches Schutzschild gegenüber dem Patienten.
- Viertens: Die Versicherung greift für typische Risiken des Hausarztalltags – Fehldiagnosen, Medikationsfehler, Aufklärungsfehler, Praxisorganisation, Fehler von Mitarbeitern – aber nicht für vorsätzliches Handeln und nicht automatisch für rein kosmetische oder experimentelle Eingriffe.
- Fünftens: Die größten Stolperfallen liegen häufig in der Kommunikation mit der Versicherung: unvollständige Antragsangaben, nicht gemeldete Tätigkeitsänderungen, verspätete Schadenmeldungen oder vorschnelle Schuldanerkenntnisse können den Versicherungsschutz gefährden.
- Sechstens: Beim Praxisverkauf bleibt die Haftung für alte Behandlungsfehler bei Ihnen. Die Nachhaftung geht in der Regel nicht auf den Käufer über. Sie brauchen eine eigene Run-Off-Deckung für später geltend gemachte Schäden.
- Siebtens: Klassische Arzthaftpflichtpolicen decken DSGVO-Risiken nur begrenzt ab. Reine Bußgelder und viele immaterielle Schadensersatzansprüche müssen über ergänzende Cyber- oder Datenschutzbausteine abgesichert werden, wenn Sie dieses Risiko aktiv steuern wollen.
Eigene Arzt-Haftpflicht prüfen lassen Praxisübernahme oder Praxisverkauf besprechen
1.1 Warum die Berufshaftpflicht keine Option, sondern Pflicht ist
In Deutschland ist die Berufshaftpflicht für Ärztinnen und Ärzte keine freiwillige Zusatzversicherung, sondern berufsrechtliche Pflicht. Die Berufsordnungen der Landesärztekammern verlangen, dass jede Ärztin und jeder Arzt einen hinreichenden Versicherungsschutz gegen Haftpflichtansprüche aus der Berufsausübung vorhält. Die Formulierung ist offen, die Botschaft aber eindeutig: Wer als Arzt arbeitet, muss in der Lage sein, entstandene Schäden nicht nur fachlich, sondern auch finanziell auszugleichen.
Früher war diese Pflicht vor allem berufsrechtlich verankert. Inzwischen ist sie durch § 95e SGB V zusätzlich sozialrechtlich geregelt. Vertragsärzte, die Leistungen gegenüber gesetzlichen Krankenkassen abrechnen wollen, benötigen einen nachweislich ausreichenden Berufshaftpflichtschutz. Ohne diesen Nachweis wird keine Zulassung erteilt oder die bestehende Zulassung kann ruhend gestellt werden.
1.2 Rolle der Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen
Die Ärztekammern überwachen die Einhaltung der Berufspflichten. Wer ohne oder mit offensichtlich unzureichender Berufshaftpflicht tätig ist, riskiert berufsrechtliche Maßnahmen bis hin zu Rügen, Geldbußen oder – bei hartnäckiger Pflichtverletzung – berufsgerichtlichen Verfahren und im Extremfall der Entziehung der Approbation. Parallel dazu kontrollieren die Kassenärztlichen Vereinigungen im Zulassungsverfahren, ob ein ausreichender Versicherungsschutz besteht.
Praktisch bedeutet das: Wenn Sie eine Vertragsarztzulassung beantragen oder ändern, müssen Sie eine Bescheinigung Ihres Versicherers vorlegen, aus der sowohl die Art des Versicherungsschutzes als auch die Deckungssummen hervorgehen. Dieser Nachweis kann auch im laufenden Zulassungsverhältnis immer wieder angefordert werden. Es reicht nicht, irgendwann einmal eine Police abgeschlossen zu haben – der Schutz muss durchgehend bestehen und zu Ihrer Tätigkeit passen.
1.3 Mindestdeckungssummen – gesetzliche Untergrenze und sinnvolles Praxisniveau
Der Gesetzgeber hat mit § 95e SGB V Mindestdeckungssummen definiert, die als Untergrenze für Vertragsärzte gelten. Für eine Einzelpraxis ohne angestellte Ärzte sind mindestens 3 Mio. € Deckung je Schadenfall vorgeschrieben. Die Jahresmaximierung darf nicht unter dem Doppelten dieser Summe liegen, das heißt: mindestens 6 Mio. € pro Jahr.
Beschäftigen Sie angestellte Ärztinnen oder Ärzte, steigen die Anforderungen. In diesem Fall sind mindestens 5 Mio. € je Schadenfall vorgeschrieben, die Jahresmaximierung darf nicht unter dem Dreifachen liegen (also mindestens 15 Mio. € pro Jahr). Hintergrund ist das Teamsetting in größeren Praxen, in denen mehrere Behandler parallel tätig sind und sich Schäden kumulieren können.
Aus praktischer Sicht ist es für Allgemeinmediziner sinnvoll, unabhängig von der gesetzlichen Untergrenze eine Deckungssumme von mindestens 5 Mio. € pauschal für Personen-, Sach- und daraus resultierende Vermögensschäden zu wählen, möglichst mit dreifacher Jahresmaximierung. Für größere Praxen, BAGs und MVZ sind auch 7,5 Mio. € pro Schadenfall keine Übertreibung.
2. Zielgruppen: Einzelpraxis, BAG und Berufseinsteiger
2.1 Einzelpraxis – der klassische niedergelassene Hausarzt
In der klassischen Einzelpraxis sind Sie Vertragspartner des Patienten, Sie stehen im Briefkopf und haften persönlich für Behandlungsfehler und Organisationsversäumnisse. Ihre Berufshaftpflicht muss deshalb nicht nur Ihre eigenen ärztlichen Tätigkeiten abdecken, sondern auch die Fehler Ihrer Mitarbeiter – medizinische Fachangestellte, Auszubildende, Praxismanagerinnen und gelegentliche Vertretungsärzte.
Typische Risiken in der allgemeinmedizinischen Einzelpraxis sind Fehldiagnosen, verspätete Diagnosen, falsche oder unvollständig erklärte Therapien, Medikationsfehler, versäumte Überweisungen zum Facharzt, fehlende oder fehlerhafte Dokumentation, unklare Verantwortlichkeiten im Notdienst oder Fehler bei Impfungen. Hinzu kommen Risiken aus der Praxisorganisation, etwa Stürze im Wartezimmer oder falsch zugeordnete Laborwerte.
In guten Tarifen sind auch Notdienste, Erste Hilfe außerhalb der Praxis, unentgeltliche Freundschaftsdienste sowie kurzfristige Vertretungs- oder Konsiliarleistungen mitversichert. Problematisch wird es, wenn der Versicherungsschutz stark einschränkt, was zur „allgemeinmedizinischen Tätigkeit“ gehört. Sobald Sie zusätzlich Akupunktur, Chirotherapie, Reisemedizin oder ästhetische Behandlungen anbieten, müssen diese Tätigkeiten ausdrücklich mitversichert sein.
2.2 Gemeinschaftspraxis und BAG – mehrere Ärzte, gemeinsame Haftung
In einer Berufsausübungsgemeinschaft teilen sich mehrere Ärzte die Infrastruktur und den Patientenstamm. Rechtlich kann der Behandlungsvertrag mit der Gesellschaft oder mit den einzelnen Partnern bestehen; faktisch wird die Praxis als Einheit gesehen. Für den Patienten ist es meist unerheblich, welche Ärztin oder welcher Arzt ihn konkret behandelt hat – die Gesellschafter haften gemeinsam.
Die Berufshaftpflichtversicherung muss diese gemeinsame Haftung abbilden. Entweder hat jeder Partner einen eigenen Vertrag mit ausreichend hoher Deckungssumme, oder es existiert eine gemeinsame Police, in der alle Partner und angestellten Ärzte als mitversicherte Personen aufgeführt sind. Spätestens wenn angestellte Ärztinnen und Ärzte in der Praxis arbeiten, ist eine einheitliche Lösung mit den höheren Mindestdeckungssummen erforderlich.
Wichtig ist die klare Mitversicherung des gesamten Teams. Angestellte Fachärzte, Weiterbildungsassistenten, Ärztinnen in Teilzeit oder Elternzeit, Praxismanagerinnen und medizinische Fachangestellte sollten ausdrücklich mit umfasst sein. Zusätzlich ist entscheidend, dass der Versicherer auf Regress gegenüber mitversicherten Personen verzichtet – Innenregresse gegen Mitarbeiter würden die Praxis intern massiv belasten.
2.3 Berufseinsteiger, Assistenzärzte und Jungniedergelassene
Für Berufseinsteiger sieht die Welt anders aus. Als Assistenzarzt im Krankenhaus sind Sie in der Regel über die Klinik haftpflichtversichert – jedenfalls für die dienstlichen Tätigkeiten im Rahmen des Arbeitsvertrags. Außerdienstliche ärztliche Tätigkeiten, die nicht zur Klinikarbeit gehören, sind von dieser Versicherung nicht automatisch umfasst.
Schon als Weiterbildungsassistent lohnt ein genauer Blick: Notarztdienst, Bereitschaftsdienste außerhalb der Klinik, ärztliche Freundschaftsdienste, Vertretungen in Praxen, Gutachtertätigkeit oder Nebentätigkeiten können Lücken hinterlassen. Viele junge Ärzte sichern dieses Restrisiko über eine eigene Berufshaftpflichtpolice ab; Rahmenverträge von Berufsverbänden und Kammern bieten hier oft günstige Einstiegsmodelle.
Spätestens mit der Niederlassung geht es um einen vollwertigen Vertrag. Typische Anfängerfehler: nur die gesetzliche Mindestdeckung wählen oder risikoreiche Tätigkeiten im Antrag weglassen. Wer neben der Hausarztpraxis ästhetische Behandlungen, spezielle naturheilkundliche Verfahren oder invasive Eingriffe anbietet, muss diese im Antrag offen deklarieren. Rabattstaffeln und Gründerkonditionen sind sinnvoll, ersetzen aber keine saubere Risikoerfassung und keine ausreichend hohe Deckungssumme.
3. Leistungsinhalte, Ausschlüsse und Unterschiede in den Bedingungen
3.1 Was eine Arzt-Haftpflicht im Kern leistet
Die Berufshaftpflichtversicherung erfüllt drei zentrale Funktionen: Sie prüft zunächst, ob ein Patient überhaupt einen Anspruch hat, sie wehrt unberechtigte oder überhöhte Forderungen ab und sie zahlt berechtigte Ansprüche in der vereinbarten Höhe. Für Sie als Allgemeinmediziner bedeutet das Entlastung – Sie sollen medizinische Entscheidungen treffen, nicht jeden Haftungsfall allein juristisch bewerten.
Abgedeckt sind typischerweise Personenschäden, Sachschäden und daraus resultierende Vermögensschäden. Personenschäden sind der Regelfall: verschlechterte Gesundheitszustände, bleibende Beeinträchtigungen oder Todesfälle nach Behandlungsfehlern, Aufklärungsfehlern oder organisatorischen Versäumnissen. Sachschäden betreffen etwa beschädigte Brillen oder Mobiltelefone, Vermögensschäden sind meist Folgeschäden eines Personenschadens.
3.2 Typische Ausschlüsse – wo die Grenzen der klassischen Arzthaftpflicht liegen
Trotz des breiten Schutzes gibt es klare rote Linien. Vorsätzliche Schädigungen sind nicht versicherbar. Bei grober Fahrlässigkeit entscheidet das Bedingungswerk: Gute Verträge verzichten auf den Einwand grober Fahrlässigkeit und regulieren Schäden auch dann voll, wenn das Verhalten deutlich über eine normale Unachtsamkeit hinausgeht. Ältere oder einfache Tarife behalten sich Regressmöglichkeiten vor.
Ein weiterer zentraler Ausschlussbereich betrifft rein ästhetische und kosmetische Eingriffe ohne medizinische Indikation. Viele Hausärzte bieten inzwischen etwa Faltenbehandlungen oder kosmetische Lasertherapien an. Standardpolicen schließen diese Tätigkeiten häufig aus oder versichern sie nur nach ausdrücklicher Anzeige und gesonderter Vereinbarung.
Ähnliches gilt für experimentelle Therapien und Off-Label-Use. Off-Label-Verordnungen sind im medizinischen Alltag an bestimmten Stellen unvermeidlich, werden haftungsrechtlich aber kritisch bewertet. Viele Versicherer knüpfen ihren Schutz an strenge Voraussetzungen; werden diese nicht eingehalten, droht ein Konflikt zwischen Haftungsrecht und Versicherungsrecht.
Nicht unter die Berufshaftpflicht fallen außerdem reine Vertragsstrafen, Bußgelder oder berufsrechtliche Sanktionen. Wenn etwa ein DSGVO-Bußgeld verhängt wird, ist das kein versicherbarer Schadenersatzanspruch eines Patienten.
3.3 Tätigkeiten außerhalb der eigenen Praxis
Die Berufshaftpflicht folgt Ihnen nicht automatisch in jeden beruflichen Kontext. Viele Tarife decken Notdienste, Erste Hilfe, ehrenamtliche Tätigkeiten oder kurzfristige Vertretungen pauschal mit ab, beschränken diesen Schutz aber auf übliche Konstellationen. Längere Einsätze als Honorararzt, umfangreiche Gutachtertätigkeiten, Tätigkeiten im Ausland oder parallel ausgeübte Spezialtätigkeiten müssen häufig ausdrücklich vereinbart werden.
Für Allgemeinmediziner ist es sinnvoll, alle regelmäßigen und planbaren Nebentätigkeiten im Antrag anzugeben: Notarztdienste, Gutachteraufträge, Konsiliarleistungen, Präventionskurse, Werksarztaufgaben und ähnliches. Der Versicherer kann dann klar definieren, was mitversichert ist.
3.4 Anonymisierter Vergleich typischer Bedingungsvarianten
Die Feinheiten zeigen sich im direkten Vergleich verschiedener Bedingungswerke. Ohne konkrete Versicherer zu nennen, lassen sich typische Unterschiede wie folgt skizzieren:
- Nachhaftung (Run-Off): von kurzen Nachläufen bis zu mehrjähriger oder unbegrenzter Nachhaftung bei Ruhestand oder Praxisaufgabe.
- Grobe Fahrlässigkeit: ausdrücklicher Verzicht auf den Einwand grober Fahrlässigkeit vs. Regressmöglichkeiten im Innenverhältnis.
- Ästhetische Eingriffe: klar mitversichert, sofern angegeben, oder standardmäßig ausgeschlossen.
- Tätigkeiten außerhalb der Praxis: umfassende Mitversicherung von Notdiensten und Vertretungen vs. strikte Beschränkung auf die „eigene Praxis“.
- Strafrechtliche Verteidigung: erweiterter Schutz bei Ermittlungsverfahren vs. Verweis auf separate Rechtsschutzpolicen.
4. Typische Schadenfälle und gefährliche Stolperfallen
4.1 Konkrete Beispiele aus dem hausärztlichen Alltag
Ein klassischer Fall ist die fehlerhafte Impfberatung. Eine Patientin wird aus unsicheren Gründen von einer empfohlenen Impfung abgeraten, erkrankt später schwer und macht geltend, sie sei nicht ausreichend oder falsch informiert worden. War die Beratung nicht leitliniengerecht, liegt ein Aufklärungsfehler vor. Die Berufshaftpflicht prüft den Ablauf, holt Gutachten ein und reguliert berechtigte Forderungen.
Ebenso häufig sind Medikationsfehler. Ein Hausarzt verschreibt ein falsches Präparat oder eine falsche Dosierung. Die Einnahme führt zu gravierenden Nebenwirkungen, etwa zu einer schweren Hypoglykämie bei einem Diabetiker oder zu einem bedrohlichen Elektrolyt-Ungleichgewicht bei einem herzkranken Patienten. Die Versicherung trägt dann nicht nur Schmerzensgeld, sondern auch Folgekosten vom Rettungsdienst über die stationäre Behandlung bis hin zu bleibenden Schäden.
Besonders drastisch sind Diagnosefehler mit schwerwiegenden Folgen. Wird eine Appendizitis wiederholt als banaler Magen-Darm-Infekt abgetan und zu spät operiert, kann es zu Perforation, Peritonitis und organbedingten Dauerschäden kommen. In solchen Konstellationen sprechen Gerichte bei deutlichen Abweichungen vom Standard häufig von groben Behandlungsfehlern – mit entsprechenden Beweiserleichterungen für den Patienten.
Hinzu kommen Datenschutzfälle: versehentlich an den falschen Empfänger versandte Laborbefunde, verlorene Datenträger oder unsachgemäß entsorgte Papierakten. Je nach Bedingungswerk können hier sowohl zivilrechtliche Ansprüche von Patienten als auch aufsichtsbehördliche Maßnahmen eine Rolle spielen.
4.2 Typische Fehler bei der Antragstellung
Die erste große Fehlerquelle liegt weit vor dem ersten Schaden – beim Ausfüllen des Antrags. Wenn Sie bei der Beschreibung Ihrer Tätigkeit beschönigen oder relevante Bausteine weglassen, riskieren Sie eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung. Dazu gehört zum Beispiel, das Angebot ästhetischer Leistungen, invasiver Eingriffe oder besonderer Therapiemethoden zu verschweigen, um den Beitrag niedrig zu halten.
Ebenso kritisch ist es, bisherige Schäden oder laufende Verfahren zu verschweigen, wenn danach gefragt wird. Die meisten Antragsformulare enthalten Fragen nach Vorschäden, Gutachterverfahren oder anhängigen Klagen. Wer hier falsche Angaben macht, stellt die Verlässlichkeit des Vertrags insgesamt infrage.
4.3 Obliegenheiten im Schadenfall – was Sie tun müssen und was Sie lassen sollten
Kommt es zu einem Zwischenfall, ist die Versuchung groß, vorschnell die eigene Schuld einzugestehen oder spontanen Ersatz zu versprechen. Genau das ist versicherungsrechtlich problematisch. Fast alle Berufshaftpflichtverträge enthalten ein Anerkenntnisverbot. Sie dürfen die Haftung weder mündlich noch schriftlich anerkennen, bevor der Versicherer den Sachverhalt geprüft hat.
Gleichzeitig besteht eine Pflicht zur unverzüglichen Schadenmeldung. Sobald Ihnen ein möglicher Fehler bewusst wird, ein Patient sich massiv beschwert, ein Anwaltsschreiben eintrifft oder die Schlichtungsstelle eingeschaltet wird, müssen Sie Ihre Versicherung informieren. Unterlagen, Dokumentation und Kommunikation sind bereitzuhalten.
- Fall intern aufarbeiten, Dokumentation sichern, aber keine Schuldanerkenntnisse abgeben.
- Versicherer zeitnah informieren (auch bei bloßem Verdacht) und den Fall schildern.
- Weitere Kommunikation mit Patient oder Anwalt in Abstimmung mit dem Versicherer führen.
5. Vertragsgestaltung, Nachhaftung, Run-Off und Beiträge 2025
5.1 Nachhaftung und Run-Off – warum Haftung nicht endet, wenn die Praxis zu ist
Medizinische Haftung kennt lange Schatten. Patienten bemerken Fehler häufig erst Jahre nach der Behandlung oder bringen erst spät genug Informationen zusammen, um einen Anspruch zu formulieren. Deshalb endet Ihr Haftungsrisiko nicht mit dem Tag der Praxisaufgabe oder des Praxisverkaufs.
Moderne Berufshaftpflichtverträge arbeiten überwiegend nach dem Claims-made-Prinzip: Entscheidend ist, wann ein Anspruch geltend gemacht wird, nicht wann die Behandlung stattfand. Daraus folgt: Endet ein Vertrag, muss geregelt sein, wie lange nach Vertragsende noch Anspruchsmeldungen möglich sind, die sich auf die Zeit während der Laufzeit beziehen. Genau hier setzt die Nachhaftung an.
5.2 Spezieller Fall: Praxisverkauf und Run-Off für den Verkäufer
Besonders sensibel ist der Moment des Praxisverkaufs. Juristisch bleiben Sie für Behandlungsfehler, die während Ihrer Zeit als Praxisinhaber entstanden sind, in der Haftung. Der Erwerber übernimmt zwar die Praxis, aber nicht Ihre persönliche Haftungsvergangenheit. Die Nachhaftung geht in der Regel nicht automatisch auf den Käufer über.
In der Praxis bedeutet das: Wenn Sie Ihre Hausarztpraxis abgeben, brauchen Sie in aller Regel eine eigene Run-Off-Deckung – entweder als Verlängerung Ihrer bisherigen Police oder als separate Nachhaftungslösung. So wird sichergestellt, dass Ansprüche aus der Zeit vor dem Praxisverkauf, die erst nach der Übergabe erhoben werden, nicht auf Ihrem privaten Vermögen hängen bleiben.
5.3 Mitversicherung von Personal und Team
Aus Maklersicht ist die klare und umfassende Mitversicherung des gesamten Teams einer der wichtigsten Vertragsbausteine. Die Police sollte nicht nur die Praxisinhaberin oder den Praxisinhaber nennen, sondern ausdrücklich auch angestellte Ärztinnen und Ärzte, Weiterbildungsassistenten, medizinische Fachangestellte, Auszubildende und sonstige Angestellte.
Entscheidend ist zudem, dass der Versicherer auf Regress gegenüber mitversicherten Personen verzichtet. Innenregresse gegen Mitarbeiter führen nicht nur zu erheblichen Spannungen in der Praxis, sondern unterlaufen auch den Zweck der Versicherung.
5.4 Erweiterungen: Strafrechtsschutz, Nebentätigkeiten und grobe Fahrlässigkeit
Ein guter Vertrag berücksichtigt, dass Haftung nicht nur zivilrechtlich stattfindet. Kommt es zu einem Todesfall oder schwersten Schäden, sind strafrechtliche Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung keine Seltenheit. Eine sinnvolle Berufshaftpflicht enthält daher Bausteine, die zumindest einen Grundschutz für strafrechtliche Verteidigungskosten bieten.
Nebentätigkeiten wie Notarztdienste, Gutachteraufträge, Konsiliarleistungen oder gelegentliche Lehrtätigkeiten sollten ausdrücklich mitversichert sein. Viele Bedingungen listen diese Tätigkeiten positiv auf. Wer hier regelmäßig tätig ist, sollte die Formulierungen kennen und bei Bedarf anpassen lassen.
5.5 Typische Beitragshöhen 2025 (anonymisierte Spannen)
Die konkrete Prämie hängt von Deckungssumme, Fachrichtung, Tätigkeitsumfang, mitversicherten Nebentätigkeiten, Schadenverlauf und Tarifniveau ab. Anonymisierte Erfahrungswerte aus dem Markt geben eine grobe Orientierung:
- Einzelpraxis Allgemeinmedizin mit 5 Mio. € pauschal: Jahresbeiträge typischerweise ca. 1.200 € bis 2.200 € brutto.
- Gemeinschaftspraxen/BAG mit mehreren Partnern und angestellten Ärzten: Gesamtkosten häufig im Bereich von ca. 2.500 € bis 5.000 € und darüber, je nach Struktur.
- Berufseinsteiger/Jungniedergelassene: rabattierte Tarife in den ersten Jahren, teils im Bereich von rund 600 € bis 1.200 € pro Jahr.
Diese Spannen sind bewusst grob und anonym gehalten. Sie zeigen aber, dass ein qualitativ guter Schutz für die meisten Allgemeinmediziner finanzierbar ist und als Betriebsausgabe steuerlich wirkt. Neutrale Informationen zu Haftpflicht- und Berufshaftpflichtversicherungen stellt z. B. auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft auf gdv.de bereit.
Bestehenden Vertrag prüfen lassen
5.6 Was Sie aus Maklersicht konkret tun sollten
- Deckungssumme und Jahresmaximierung zur Praxisgröße und Tätigkeitsstruktur passend wählen.
- Alle Tätigkeiten – inklusive Nebentätigkeiten – sauber im Vertrag beschreiben lassen.
- Nachhaftung und Run-Off frühzeitig mitplanen, insbesondere bei Praxisübernahme oder -verkauf.
6. Steuerliche und rechtliche Eckpunkte
6.1 Steuerliche Behandlung der Beiträge
Aus steuerlicher Sicht sind die Beiträge zur Berufshaftpflicht klassische Betriebsausgaben. Sie mindern den Gewinn Ihrer Praxis und damit die Einkommensteuer. In der Einnahmen-Überschuss-Rechnung werden sie als Aufwand erfasst; in der Bilanzpraxis erscheinen sie in der Gewinn- und Verlustrechnung.
Für angestellte Ärzte sind eigene Berufshaftpflichtbeiträge Werbungskosten, sofern sie nicht vom Arbeitgeber übernommen werden. Informationen zur steuerlichen Behandlung von Vorsorge- und Versicherungsaufwendungen stellt z. B. das Bundesfinanzministerium bereit.
6.2 Behandlungsvertrag, deliktische Haftung und Beweislast
Juristisch wird das Verhältnis zwischen Arzt und Patient seit dem Patientenrechtegesetz vor allem als Behandlungsvertrag nach § 630a BGB verstanden. Sie schulden keinen Heilerfolg, aber eine Behandlung nach dem anerkannten fachlichen Standard. Kommt es zu Pflichtverletzungen, haften Sie vertraglich auf Schadenersatz. Parallel dazu greift die deliktische Haftung nach § 823 BGB .
Normalerweise trägt der Patient die Beweislast. Bei groben Behandlungsfehlern und gravierenden Aufklärungsversäumnissen kann sich die Beweislast allerdings zu Ihren Lasten umkehren. Das macht grobe Fehler haftungsrechtlich besonders gefährlich und zeigt, warum eine solide Police mit Verzicht auf den Einwand grober Fahrlässigkeit so wertvoll ist.
6.3 Umfang des Schadenersatzes und unbegrenzte persönliche Haftung
Der Schadenersatzanspruch des Patienten zielt darauf ab, ihn so zu stellen, wie er ohne den Fehler stünde. In der Praxis bedeutet das: Übernahme von Behandlungskosten, Rehabilitationsmaßnahmen, Pflegekosten, Umbaukosten im häuslichen Umfeld, Erwerbsminderungsrenten, Unterhaltsschäden für Hinterbliebene und Schmerzensgeld.
Ihre persönliche Haftung kennt dabei keine Obergrenze – Sie haften mit Ihrem gesamten privaten Vermögen. Die Police setzt die Grenze, bis zu der der Versicherer zahlt. Alles darüber hinaus würde direkt bei Ihnen landen. Angesichts steigender Pflege- und Versorgungskosten sind siebenstellige Summen kein theoretisches Extrem, sondern in schweren Fällen realistisch.
6.4 Besonderheiten bei Impfkampagnen und staatlicher Haftung
Bei staatlich initiierten Impfkampagnen kann im Einzelfall eine Haftung des Staates an die Stelle der individuellen Arzthaftung treten, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und kein individueller Fehler vorliegt. Das ändert nichts daran, dass Sie bei Beratung, Aufklärung und Durchführung der Impfung weiterhin Ihre berufsrechtlichen Pflichten erfüllen müssen.
Für die Praxis ist entscheidend, die eigene Dokumentation sauber zu führen, Kontraindikationen ernst zu nehmen und Patienten verständlich über Risiken und Alternativen aufzuklären. Kommt es dennoch zu Vorwürfen, übernimmt die Berufshaftpflicht die rechtliche Prüfung und – bei bestehendem Fehler – die Regulierung.
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7. FAQ für vielbeschäftigte Hausärztinnen und Hausärzte
Zum Abschluss die häufigsten Fragen, die niedergelassene Allgemeinmediziner zur Berufshaftpflicht stellen – kompakt beantwortet.
Brauche ich wirklich eine so hohe Deckungssumme, wenn die gesetzlichen Mindestwerte niedriger sind?
Die gesetzlichen Mindestdeckungssummen sind eine Untergrenze, um überhaupt eine Zulassung zu erhalten. Sie sagen nichts darüber aus, wie hoch ein einzelner Schaden im Extremfall ausfallen kann. Ein schwerer Behandlungsfehler mit dauerhaften Schäden, Pflegebedarf und Verdienstausfall kann weit jenseits von 3 Mio. € liegen. Für die meisten Allgemeinmediziner sind 5 Mio. € mit dreifacher Jahresmaximierung heute ein realistischer Mindeststandard.
Ich habe eine Praxis übernommen. Muss ich mir dennoch Gedanken um Run-Off machen?
Als Käufer einer Praxis benötigen Sie einen laufenden Berufshaftpflichtvertrag, der sämtliche Behandlungsleistungen ab Übernahme abdeckt. Für Behandlungen aus der Zeit vor der Übernahme bleibt grundsätzlich der alte Inhaber in der Haftung. Sobald Sie selbst einmal abgeben oder in Ruhestand gehen, stellt sich die Run-Off-Frage für Sie persönlich. Run-Off ist immer an den Berufsweg des Arztes gekoppelt, nicht an das Objekt „Praxis“.
Deckt meine Berufshaftpflicht Datenschutzverstöße und DSGVO-Schadensersatzansprüche vollständig ab?
Die klassische Berufshaftpflicht konzentriert sich auf Schadenersatzansprüche von Patienten, die aus Behandlungs- oder Beratungsfehlern resultieren. Datenschutzverstöße und immaterielle Schadensersatzansprüche nach DSGVO sind häufig nur eingeschränkt oder gar nicht Bestandteil des Schutzes; reine Bußgelder sind nicht versicherbar. Wer dieses Risiko bewusst managen möchte, sollte die Bedingungen prüfen und über ergänzende Cyber- oder Datenschutzdeckungen nachdenken.
Ich bin angestellt und zusätzlich an einer Praxis beteiligt. Reicht der Schutz meines Arbeitgebers?
Die Haftpflichtversicherung Ihres Arbeitgebers deckt nur Ihre Tätigkeit in diesem konkreten Angestelltenverhältnis. Beteiligung an einer Praxis, Nebentätigkeiten, Notdienste, Gutachtertätigkeiten oder freiberufliche Einsätze werden davon nicht automatisch erfasst. Spätestens wenn Sie an einer Praxis beteiligt sind, benötigen Sie eine eigene, auf dieses Engagement zugeschnittene Berufshaftpflicht.
Wie gehe ich vor, wenn ich einen möglichen Fehler bemerke, der noch nicht zu einem Streit geführt hat?
Auch ein reiner Verdacht ist ein Anlass, die Situation ernst zu nehmen. Sie sollten den Fall intern aufarbeiten, die Dokumentation sichern und dann Ihre Berufshaftpflicht informieren, selbst wenn der Patient sich noch nicht gemeldet hat. Viele Versicherer behandeln solche Konstellationen als „Umstandsmeldung“. Die Meldung schadet nicht, sie schafft Klarheit.
Fragen zur Arzt-Haftpflicht stellen
Glossar – wichtige Fachbegriffe
In diesem Glossar werden die wichtigsten Fachbegriffe kurz und verständlich erklärt, damit Sie Begriffe aus Angeboten, Vergleichen und Verträgen besser einordnen können.
- Berufshaftpflichtversicherung
- Versicherung, die Ihre berufliche Haftung als Ärztin oder Arzt abdeckt. Sie prüft Ansprüche von Patienten, wehrt unberechtigte Forderungen ab und zahlt berechtigte Schadenersatzansprüche bis zur vereinbarten Deckungssumme. Ohne sie riskieren Sie, mit Ihrem gesamten Privatvermögen für Behandlungsfehler zu haften.
- Deckungssumme
- Maximale Summe, bis zu der der Versicherer pro Schadenfall leistet. In der Berufshaftpflicht sind für Allgemeinmediziner mehrere Millionen Euro üblich. Ist die Deckungssumme zu niedrig, müssen Sie darüber hinausgehende Beträge im Extremfall privat tragen.
- Jahresmaximierung
- Gesamtbetrag, den der Versicherer innerhalb eines Versicherungsjahres maximal zahlt. Eine „dreifache Jahresmaximierung“ bei 5 Mio. € Deckungssumme bedeutet zum Beispiel: bis zu 15 Mio. € Leistung pro Jahr, verteilt auf mehrere Schäden.
- Nachhaftung / Run-Off
- Zeitraum, in dem der Versicherer auch nach Vertragsende noch für Schäden aus der Vergangenheit eintritt. Wichtig beim Ruhestand oder Praxisverkauf, weil Patienten oft erst Jahre später Ansprüche geltend machen. Ohne Run-Off bleibt dieses Risiko bei Ihnen privat.
- Claims-made-Prinzip
- Regelung, nach der der Zeitpunkt der Anspruchserhebung entscheidend ist – nicht der Tag der Behandlung. Wird der Anspruch erst nach Vertragsende erhoben, greift der Schutz nur, wenn eine Nachhaftung (Run-Off) vereinbart ist. Viele moderne Arzthaftpflichtverträge funktionieren so.
- Behandlungsvertrag
- Vertragliche Grundlage des Arzt-Patienten-Verhältnisses nach § 630a BGB . Sie schulden keine Heilung, aber eine Behandlung nach dem anerkannten fachlichen Standard und eine verständliche Aufklärung. Verstöße können zu Schadenersatzansprüchen führen.
- Grobe Fahrlässigkeit
- Besonders schwerer Verstoß gegen die im Einzelfall erforderliche Sorgfalt. Juristisch wird von grober Fahrlässigkeit gesprochen, wenn das Verhalten „schlechterdings nicht mehr verständlich“ ist. Gute Berufshaftpflichtbedingungen verzichten auf den Einwand grober Fahrlässigkeit, damit der Versicherer auch in diesen Fällen leistet.
- DSGVO-Schadensersatz
- Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO wegen Datenschutzverstößen, zum Beispiel bei unberechtigter Weitergabe oder Verlust von Patientendaten. Sie sind nicht automatisch Bestandteil einer klassischen Berufshaftpflicht und müssen ggf. über Cyber- oder Datenschutzbausteine zusätzlich abgesichert werden.