Altersvorsorge für niedergelassene Ärzte

Altersvorsorge für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte – Leitfaden 2025/2026

Altersvorsorge für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Deutschland

Als niedergelassene Ärztin oder niedergelassener Arzt tragen Sie Ihre Altersvorsorge im Wesentlichen selbst – trotz Versorgungswerk. Dieser Leitfaden zeigt nüchtern, wo die Lücken liegen und wie Sie Versorgungswerk, Praxis, Steuerrenten, Kapitalanlagen, Risikoabsicherung und rechtliche Stellschrauben sinnvoll kombinieren.

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stehen in der Altersvorsorge vor besonderen Herausforderungen. Einerseits sind sie Pflichtmitglied im ärztlichen Versorgungswerk, andererseits tragen sie als Selbständige die volle Verantwortung für ihre zusätzliche Vorsorge. Ihre eigene Praxis stellt oft einen erheblichen Vermögenswert dar – allerdings mit unsicherem Verkaufserlös. Dieser Leitfaden bietet einen strukturierten Überblick: von der Ausgangslage über die realistische Versorgungslücken-Analyse bis hin zu ergänzenden Vorsorgestrategien in allen drei Schichten.

Daneben werden die essentielle Risikoabsicherung (BU, Krankentagegeld, Praxisausfall, Betriebsunterbrechung), praxisnahe Szenarien samt typischer Stolperfallen sowie steuerliche, rechtliche und betriebswirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten beleuchtet – inklusive Themen wie Krankenversicherung im Alter, Scheidung, Altansprüche aus der Deutschen Rentenversicherung und juristischer Notfallkoffer. Am Ende steht die Empfehlung eines modularen Vorgehens, mit dem Sie Ihre Altersvorsorge planvoll aufbauen, überwachen und bei Bedarf nachjustieren können.

In 60 Sekunden verstanden

  • Versorgungswerk + Praxis reichen selten aus: Die Ärzteversorgung liegt zwar deutlich über der gesetzlichen Rente, deckt Ihren bisherigen Lebensstandard aber in der Regel nur zu 40–60 % ab. Den Rest müssen Sie selbst auffüllen.
  • Praxisverkauf ist kein sicheres Alterskapital: Nachfolger sind schwer zu finden, Verkaufspreise sinken, Abgeber müssen oft deutliche Abschläge akzeptieren oder die Praxis sogar schließen.
  • Ohne Risikoabsicherung kein Altersvorsorgeplan: BU, Krankentagegeld, Praxisausfall- und Betriebsunterbrechungsversicherung sichern Ihre Einkommens- und Beitragsfähigkeit – ohne diese Basis bricht jede Vorsorgeplanung bei längerer Erkrankung zusammen.
  • Drei Schichten nutzen: Versorgungswerk/Basisrente (Schicht 1), ggf. bAV über Praxis-GmbH (Schicht 2) und flexible private Kapitalanlagen (Schicht 3) ergänzen sich, wenn sie sauber aufeinander abgestimmt sind.
  • Recht & Krankenversicherung nicht vergessen: Scheidung, Güterstand, Altansprüche in der Deutschen Rentenversicherung und die Gestaltung Ihrer Krankenversicherung im Alter (inkl. Beitragsentlastungstarifen) haben direkte Auswirkungen auf Ihre Rentenplanung.
  • Vorsorge ist ein Prozess, kein Produkt: Bestandsaufnahme, Lückenberechnung, Maßnahmenplan und jährliches Controlling sorgen dafür, dass Ihre Altersvorsorge auf Kurs bleibt – auch wenn sich Einkommen, Familie, Steuern oder Märkte ändern.

1. Besonderheiten der ärztlichen Ausgangslage

1.1 Pflichtmitgliedschaft im ärztlichen Versorgungswerk

Alle approbierten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland sind – mit wenigen Ausnahmen – Pflichtmitglieder in einem regionalen Ärzteversorgungswerk. Die Versorgungswerke sind öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtungen der Landesärztekammern und funktionieren überwiegend kapitalgedeckt, das heißt: Ein großer Teil Ihrer Beiträge wird am Kapitalmarkt angelegt, um zukünftige Renten zu finanzieren.

Im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung führt dies in der Regel zu:

  • höheren Beitragssätzen,
  • höheren zugesagten Renten,
  • zusätzlichen Leistungen (Berufs-/Erwerbsunfähigkeit, Hinterbliebene),
  • geringerer direkter Abhängigkeit von der Demografie.

Dennoch gibt es systemimmanente Schwächen, die für Ihre Altersvorsorge entscheidend sind:

  • Keine Bundeszuschüsse: Anders als in der gesetzlichen Rente fließen keine Steuermittel in das System. Sinkende Kapitalmarkterträge müssen über niedrigere Überschüsse oder höhere Beiträge kompensiert werden.
  • Abhängigkeit vom Zinsniveau: Anhaltend niedrige Zinsen und volatile Märkte zwingen Versorgungswerke, die Rechnungszinsen zu senken und Leistungszusagen anzupassen.
  • Begrenzte Dynamik: Rentenerhöhungen liegen oft nur leicht über oder sogar unter der Inflationsrate. Real – also nach Kaufkraft – kann Ihre Versorgungswerksrente im Ruhestand spürbar an Wert verlieren.
  • Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge: Auf Versorgungswerksrenten fallen voll Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge an. Einen Arbeitgeberzuschuss wie im Angestelltenverhältnis gibt es nicht.
Kernaussage: Das Versorgungswerk ist ein wichtiger Grundpfeiler, aber kein alleiniger Rettungsanker. Wer seinen Ruhestand ausschließlich darauf stützt, riskiert einen deutlichen Verlust an Lebensstandard.

1.2 Die eigene Praxis als Vermögenswert

Die eigene Arztpraxis gilt für viele als „zweites Standbein“ der Altersvorsorge. In der Praxis zeigt sich jedoch: Der Erlös aus einem Praxisverkauf ist deutlich unsicherer, als viele Kolleginnen und Kollegen annehmen. Vor allem in ländlichen Regionen ist es zunehmend schwierig, überhaupt einen Nachfolger zu finden.

Typische Entwicklungen, die Sie kennen sollten:

  • In vielen Regionen bleibt jede zweite Praxis deutlich länger unbesetzt als geplant.
  • Abgeber müssen häufig Abschläge auf den ursprünglich angestrebten Kaufpreis akzeptieren.
  • In Einzelfällen kommt der Verkauf gar nicht zustande – die Praxis wird geschlossen, ohne dass ein nennenswerter Erlös erzielt wird.
  • Die Übergabe einer Praxis dauert im Schnitt 1,5–2,5 Jahre und sollte rund 3–5 Jahre vor dem geplanten Ruhestand aktiv vorbereitet werden (Wertgutachten, Marktsondierung, steuerliche und rechtliche Beratung).

1.3 Keine automatische betriebliche Altersvorsorge (bAV)

Anders als Klinikärztinnen und -ärzte im öffentlichen Dienst verfügen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Einzelpraxis über keine automatische, arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersvorsorge. Es gibt:

  • keine Zusatzversorgungskasse wie die VBL,
  • keinen Arbeitgeberzuschuss zu einer Direktversicherung oder Pensionskasse,
  • keine automatische Anwartschaft aus dem öffentlichen Dienst.

Nur in besonderen Konstellationen – etwa bei Einbringung der Praxis in eine GmbH oder wenn Sie als angestellte:r Ärztin/Arzt in Ihrer eigenen Gesellschaft tätig sind – kommen klassische bAV-Modelle in Betracht. Für den „normalen“ Praxisinhaber gilt: Die Lücke muss selbst über private Vorsorgebausteine geschlossen werden.

Möchten Sie wissen, wie Ihr persönlicher Status quo aussieht?

In einer strukturierten Bestandsaufnahme rechnen wir gemeinsam durch, welche Rolle Versorgungswerk, Praxis und bestehende Verträge heute schon spielen – und wo konkrete Lücken liegen.

2. Realistische Analyse der Versorgungslücke

Trotz oftmals überdurchschnittlicher Einkommen im Berufsleben droht vielen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten im Ruhestand eine erhebliche Versorgungslücke. Die Rente aus dem Versorgungswerk erreicht selten mehr als 40–60 % des letzten Bruttoeinkommens. Das klingt zunächst nach „ausreichend“, relativiert sich aber schnell, wenn man Steuern, Krankenversicherungsbeiträge und Inflation berücksichtigt.

2.1 Zahlenbeispiel: Versorgungswerkrente vs. Erwerbseinkommen

Zur Einordnung: Die durchschnittlichen Altersrenten der Ärzteversorgung lagen zuletzt im Bereich von etwa 2.200–2.800 € monatlich. Gleichzeitig liegt das durchschnittliche Bruttoeinkommen praktizierender Ärztinnen und Ärzte deutlich darüber, häufig bei 8.000 € brutto und mehr. Selbst wenn die individuelle Rente über dem Durchschnitt liegt, ist der Abstand zum bisherigen Lebensstandard erheblich.

Faustformel vieler Finanzplaner: Um den gewohnten Lebensstandard grob zu halten, werden rund 70–80 % des letzten Nettoeinkommens im Ruhestand benötigt. In der Realität erreicht die Versorgungswerksrente häufig nur 50–60 % des letzten Bruttogehalts – vor Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. In vielen Fällen klafft eine Lücke von 30–50 % des bisherigen Einkommens, die durch eigene Vorsorge zu schließen ist.

2.2 Ursachen der Rentenlücke

Die wesentlichen Ursachen der Lücke sind:

  • Später Berufseintritt: Durch langes Studium und Facharztausbildung fehlen der Ärzteversorgung im Vergleich zu anderen Akademikern oft mehrere Beitragsjahre.
  • Begrenzte Rentendynamik: Anpassungen der Versorgungswerksrenten halten nicht immer Schritt mit der Inflation. Real sinkt die Kaufkraft im Ruhestand.
  • Volle Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge: Rentner tragen die Beitragslast zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) sowie zur Pflegeversicherung allein – ohne Arbeitgeberzuschuss.
  • Wegfall variabler Einnahmen: Rufbereitschaften, Gutachtertätigkeiten oder Nebeneinkünfte fallen im Ruhestand weg, werden bei der Planung aber oft unbewusst weiter einkalkuliert.
  • Steigende Lebenshaltungskosten: Höherer Lebensstandard, Unterhalt für Kinder, Unterstützung im Alter (Haushaltshilfen, Pflege, Reisen) erhöhen den Bedarf über das reine Basisniveau hinaus.
Praxisnahes Beispiel: Angenommen, Sie haben heute 7.000 € Nettoentnahme und benötigen im Ruhestand 5.000 € netto, um Ihren Lebensstandard zu halten. Ihre hochgerechnete Versorgungswerksrente liegt bei 2.800 € netto nach Krankenversicherung. Es bleibt eine Lücke von 2.200 € monatlich. Diese muss durch eigene Sparverträge, Immobilien, Depots und andere Bausteine geschlossen werden.

3. Ergänzende Vorsorgebausteine – die drei Schichten im Überblick

Für die langfristige Altersvorsorge von Niedergelassenen haben sich drei Ebenen etabliert, die sich gegenseitig ergänzen:

  • Schicht 1: Basisversorgung (Versorgungswerk, Rürup/Basisrente)
  • Schicht 2: Betriebliche Altersvorsorge (bAV), falls eine passende Rechtsform existiert
  • Schicht 3: Flexible private Vorsorge (Depots, Immobilien, klassische und fondsgebundene Policen)

3.1 Schicht 1 – Versorgungswerk und Basisrente (Rürup)

Neben den Pflichtbeiträgen ins Versorgungswerk stellt die Basisrente („Rürup-Rente“) den wichtigsten Baustein der ersten Schicht dar. Sie ist steuerlich begünstigt, unterliegt aber strengen Rahmenbedingungen (lebenslange Rente, keine Kapitalauszahlung, eingeschränkte Vererbbarkeit).

Vorteile für Ärztinnen und Ärzte:

  • Hohe steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge als Sonderausgaben (bis zu den jeweils gültigen Höchstbeträgen).
  • Stabile, lebenslange Rentenzahlung als Ergänzung zum Versorgungswerk.
  • Je nach Gestaltung Pfändungs- und Insolvenzsicherheit, was für Selbständige relevant sein kann.

Nachteile und Grenzen:

  • Keine freie Kapitalverfügbarkeit – das Vermögen ist bis zum Rentenbeginn gebunden.
  • Strenge nachgelagerte Besteuerung der Rentenleistungen.
  • Begrenzte Flexibilität bei der Gestaltung von Hinterbliebenenschutz.

3.2 Schicht 2 – Betriebliche Altersvorsorge für Ärztinnen und Ärzte

In klassischen Einzelpraxen existiert meist keine bAV-Struktur. In folgenden Fällen kann eine betriebliche Altersvorsorge dennoch interessant sein:

  • Sie betreiben Ihre Praxis in der Rechtsform einer GmbH oder Berufsausübungsgemeinschaft mit GmbH-Anteil.
  • Sie sind (auch) als angestellte:r Ärztin/Arzt in einer eigenen Gesellschaft tätig.
  • Für Ihr Praxispersonal richten Sie eine bAV ein und nutzen diese Struktur ggf. auch für sich selbst.

In diesen Konstellationen lassen sich Direktversicherung, Pensionszusage oder Unterstützungskasse als steueroptimierte Instrumente nutzen. Wichtig ist, dass die bAV sauber in das Gesamtkonzept eingebettet wird und nicht isoliert als „Steuersparmodell“ ohne klare Gesamtstrategie genutzt wird.

3.3 Schicht 3 – Flexible private Vorsorge (Kapitalaufbau)

Der wichtigste Gestaltungsspielraum liegt für die meisten Niedergelassenen in der dritten Schicht. Typische Bausteine sind:

  • Wertpapierdepots: breit diversifizierte ETF- oder Fondsportfolios mit langfristigem Anlagehorizont (15–25 Jahre).
  • Immobilien: eigengenutztes Wohneigentum, vermietete Immobilien oder Ärztehäuser als Sachwertbaustein.
  • Kapitalbildende Versicherungen: fondsgebundene Rentenversicherungen, Hybridprodukte, klassische Policen mit Garantien – je nach Risikoneigung.
  • Unternehmerische Beteiligungen: Beteiligungen an MVZ, medizinischen Zentren oder anderen Projekten – mit erhöhtem Risiko.
Wichtig: Kein einzelner Baustein ist „die Lösung“. Entscheidend ist die Mischung aus garantierten und chancenorientierten Komponenten, die zu Ihrer persönlichen Risikoneigung, Ihrem Zeithorizont und Ihrer Praxis- und Familiensituation passt.

4. Die Praxis als Baustein der Altersvorsorge – Chancen und Risiken

Für viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stellt die eigene Praxis den größten Einzelvermögenswert dar. Entsprechend planen viele, den Ruhestand zu einem erheblichen Teil aus dem Verkaufserlös zu finanzieren. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass diese Erwartung in vielen Fällen nur teilweise oder gar nicht erfüllt wird.

4.1 Realistische Verkaufserlöse und Marktverhältnisse

Die Rahmenbedingungen für Praxisabgaben haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert:

  • Der Fachkräftemangel und der Wunsch vieler junger Ärztinnen und Ärzte nach Anstellung statt Selbständigkeit erschweren die Nachfolgerfindung.
  • In ländlichen Regionen und weniger attraktiven Stadtlagen müssen Abgebende oft deutliche Preisabschläge akzeptieren.
  • Teilweise kommt gar kein Verkauf zustande – die Praxis wird geschlossen, Patienten werden verteilt, und der Vermögenswert „Praxis“ fällt praktisch weg.

4.2 Zeithorizont und Vorbereitung des Praxisverkaufs

Ein Praxisverkauf ist kein kurzfristiges Projekt. Erfahrungswerte:

  • Planungshorizont: mindestens 3–5 Jahre vor gewünschtem Ruhestand beginnen.
  • Marktsondierung und erste Gespräche mit potenziellen Nachfolgern frühzeitig starten.
  • Wertgutachten, betriebswirtschaftliche Kennzahlen und steuerliche Struktur im Vorfeld aufbereiten.
  • Alternativen prüfen: schrittweise Übergabe, Teilzeitmodelle, Verkauf an MVZ, Vermietung der Räume.

4.3 Praxisverkauf als „Bonus“, nicht als alleinige Säule

Aus Sicht der Altersvorsorgeplanung ist es sinnvoll, den möglichen Praxisverkauf eher als Zusatzbaustein zu betrachten – nicht als tragende Säule. Ein konservativer Ansatz lautet:

  • Planen Sie Ihre Altersvorsorge so, dass Sie ohne Praxisverkauf auf einem soliden Niveau abgesichert sind.
  • Behandeln Sie den möglichen Verkaufserlös als zusätzliches Polster (z. B. für Sonderwünsche, extra Rücklagen, Unterstützung der Kinder).
  • Legen Sie die Mittel aus einem Verkauf nicht unüberlegt in neue, riskante Projekte an, sondern in das bestehende, durchdachte Vorsorgekonzept.
Praxistipp: Lassen Sie spätestens ab Mitte 50 ein neutrales Wertgutachten erstellen und prüfen Sie gemeinsam mit Steuerberater und Fachanwalt, wie sich verschiedene Abgabeszenarien (Asset Deal, Share Deal, Verkauf der Immobilie, Vermietung) steuerlich und erbschaftsrechtlich auswirken.

5. Risikoabsicherung als Fundament der Altersvorsorge

Altersvorsorge funktioniert nur, wenn das laufende Einkommen und die Praxis wirtschaftlich stabil bleiben. Fällt die ärztliche Arbeitskraft längerfristig aus oder gerät die Praxis durch Krankheit oder Sachschaden in Schieflage, bricht nicht nur der aktuelle Lebensstandard ein, sondern auch die Fähigkeit, für das Alter vorzusorgen. Risikoabsicherung ist daher kein „Extra“, sondern das Fundament Ihrer gesamten Planung.

5.1 Vier Bausteine – Privat vs. Praxis / Kurz- vs. Langfristig

Übersichtlich wird das Thema über zwei Achsen:

  • Achse 1: Privat (Ihr Einkommen) vs. Praxis (Fixkosten, Sachschäden)
  • Achse 2: Kurzfristiger Ausfall vs. dauerhafter Ausfall
Achse Kurzfristiger Ausfall Langfristiger Ausfall
Privat (Ihr Einkommen) Krankentagegeld (KTG) Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)
Praxis (laufende Kosten) Praxisausfallversicherung indirekt über BU-Leistung, Praxisverkauf oder Liquidation
Praxis (Sachschaden) Betriebsunterbrechungsversicherung indirekt über Versicherungsleistungen und eigene Rücklagen

5.2 Krankentagegeld – kurzfristige Einkommenssicherung

Das Krankentagegeld sichert Ihre private Entnahme bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit (z. B. OP, Unfall, längere Krankheit). Entscheidend:

  • Leistungsbeginn (z. B. ab Tag 15, 22 oder 43) muss zur Liquidität Ihrer Praxis passen.
  • Die Höhe sollte Ihr tatsächliches Nettoeinkommen realistisch abbilden – weder deutlich darüber noch deutlich darunter.
  • Das KTG ist nicht dafür gedacht, gleichzeitig Praxisfixkosten zu finanzieren.

5.3 Berufsunfähigkeitsversicherung – langfristiger Einkommensschutz

Die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt eine monatliche Rente, wenn Sie Ihren ärztlichen Beruf voraussichtlich dauerhaft nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben können. Für die Altersvorsorgeplanung gilt:

  • Die BU-Rente sollte so gewählt werden, dass sie Ihre laufenden privaten Ausgaben deckt und Sparraten für die Altersvorsorge weiterhin möglich sind.
  • Endalter, versichertes Berufsbild und Nachversicherungsmöglichkeiten sind kritisch – gerade bei steigenden Einkommen in der Facharztphase.
  • Die BU ist die zentrale Säule des persönlichen Risikoschutzes; ohne BU ist jede langfristige Planung fragil.

5.4 Praxisausfall- und Betriebsunterbrechungsversicherung – Stabilität für den Betrieb

Die Praxisausfallversicherung übernimmt typischerweise Miete, Gehälter, Leasingraten und weitere Fixkosten der Praxis, wenn Sie als Praxisinhaber krankheits- oder unfallbedingt ausfallen. Die Betriebsunterbrechungsversicherung knüpft dagegen an Sachschäden (z. B. Brand, Leitungswasserschaden) an und ersetzt Fixkosten und entgangenen Gewinn.

Für Ihre Altersvorsorge bedeutet das: Nur wenn Praxis und Einkommen auch in Krisen stabil bleiben, können Sie Beiträge für Rürup, Depot, Immobilien oder andere Bausteine kontinuierlich bedienen.

Typische Stolperfalle: Das Krankentagegeld wird zu niedrig angesetzt und soll in der Praxis gleichzeitig Privatentnahme und Praxismiete/Gehälter abdecken. Die Folge: Die Praxis rutscht bei längeren Erkrankungen in eine Liquiditätskrise, Rücklagen werden aufgebraucht – und die Altersvorsorge wird als erstes „eingestellt“.
Check-up: Deckt Ihre Risikoabsicherung Ihre Vorsorgepläne ab?

In einer kompakten Analyse prüfen wir gemeinsam, ob BU, KTG, Praxisausfall- und Betriebsunterbrechungsversicherung so abgestimmt sind, dass Ihre Altersvorsorge bei Krankheit oder Unfall nicht zusammenbricht.

6. Steuerliche, krankenversicherungsseitige und rechtliche Stellschrauben

Neben Versorgungswerk, Praxis, Risikoabsicherung und Kapitalaufbau spielen rechtliche und krankenversicherungsseitige Themen eine oft unterschätzte Rolle. Sie können Ihre Altersvorsorge erheblich stärken – oder im Ernstfall empfindlich schwächen.

6.1 Krankenversicherung im Alter (PKV-Spezifika)

Die meisten niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind in der privaten Krankenversicherung (PKV) versichert. Im Alter werden die PKV-Beiträge häufig als eines der größten finanziellen Sorgenkinder wahrgenommen. Folgende Bausteine sind wichtig:

  • Beitragsentlastungstarife: Zusätzliche, steuerlich begünstigte Beiträge während der Erwerbsphase, die im Alter eine Beitragssenkung finanzieren. Sie wirken wie eine zweckgebundene Vorsorge, die direkt in sinkenden PKV-Beiträgen ankommt.
  • Tarif- und Selbstbehaltgestaltung: Ein sinnvoll gewählter Selbstbehalt oder ein Tarifwechsel kann die Beitragsentwicklung abmildern – sollte aber immer im Zusammenspiel mit Ihrer Liquidität im Ruhestand geplant werden.
  • Basis- und Standardtarif: Im Notfall bieten diese Tarife die Möglichkeit, die Beiträge deutlich zu senken – allerdings auf Kosten des Leistungsspektrums. Sie sollten als „Notbremse“ zeitlich ganz am Ende der Planung stehen, nicht als Standardlösung.
Planungslogik: Idealerweise berücksichtigen Sie Ihre PKV-Beiträge im Alter schon heute in Ihrer Lückenberechnung und bauen gezielt Rücklagen auf oder nutzen Beitragsentlastungstarife. Der Schritt in Basis- oder Standardtarif bleibt dann nur für echte Ausnahmesituationen reserviert.

6.2 Familienrechtliche Risiken – Scheidung und Güterstand

Ärztinnen und Ärzte haben häufig erhebliche Vermögenswerte: Praxis, Praxisimmobilie, private Immobilien, Depots, Beteiligungen. Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gilt:

  • Der Wertzuwachs während der Ehe – auch der Praxis – gehört zum Zugewinn.
  • Bei Scheidung ist der Zugewinn des wirtschaftlich stärkeren Ehepartners auszugleichen.
  • Dies kann dazu führen, dass kurz vor dem Ruhestand erhebliche Zahlungen an den Ex-Partner fällig werden.

Im Extremfall muss die Praxis verkauft oder die Altersvorsorge massiv geplündert werden, um Zugewinnausgleich, Unterhalt oder Immobilienauseinandersetzungen zu finanzieren. Für die Altersvorsorgeplanung ist das ein erhebliches Risiko.

Ein Lösungsansatz ist die modifizierte Zugewinngemeinschaft über einen Ehevertrag. Typische Ziele können sein:

  • Praxis- oder Betriebsvermögen teilweise aus dem Zugewinnausgleich herauszunehmen.
  • Erbschaften und Schenkungen klar zuzuordnen.
  • Regelungen zu treffen, die sowohl fair als auch planbar sind.
Wichtig: Ehe- und Erbverträge sind komplex. Eine rechtzeitige Beratung bei einem im Familien- und Erbrecht erfahrenen Fachanwalt ist für Praxisinhaber dringend zu empfehlen – idealerweise weit vor dem geplanten Ruhestand.

6.3 Altansprüche aus der Deutschen Rentenversicherung (DRV)

Viele Ärztinnen und Ärzte haben vor der Niederlassung – etwa im Praktischen Jahr oder in den ersten Weiterbildungsjahren – Beiträge in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt, bevor eine Befreiung zugunsten des Versorgungswerks wirksam wurde.

Hieraus ergeben sich zwei wichtige Optionen:

  • Kontenklärung: Über die DRV sollte eine vollständige Kontenklärung durchgeführt werden, um zu wissen, wie viele Beitragsmonate bereits vorhanden sind.
  • Wartezeit von 60 Monaten: Ab 60 Beitragsmonaten entsteht ein Anspruch auf eine eigene, wenn auch kleine DRV-Rente. Diese kann später ggf. zu einem Anspruch auf KVdR-Zugehörigkeit beitragen und ist damit auch krankenversicherungsseitig interessant.

Haben Sie weniger als 60 Beitragsmonate, bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  • Beitragserstattung: Unter bestimmten Voraussetzungen können Sie sich die Arbeitnehmeranteile erstatten lassen (steuerpflichtig, eher kurzfristiger Effekt).
  • Freiwillige Aufstockung: Sie zahlen freiwillig so viele Beiträge ein, dass die Wartezeit erreicht wird, um einen Rentenanspruch zu sichern.
Planungssicht: Die Entscheidung „Erstattung vs. Aufstockung“ sollte im Kontext Ihrer gesamten Altersvorsorge betrachtet werden. Eine kleine DRV-Rente kann in Einzelfällen strategisch sinnvoller sein als eine einmalige Erstattung.

6.4 Juristische Vorsorge & Notfallkoffer (Vorsorgevollmacht, Unternehmervollmacht)

Altersvorsorge bedeutet nicht nur Geldanlage, sondern auch Handlungsfähigkeit. Was passiert, wenn Sie durch Schlaganfall, Unfall oder Demenz plötzlich nicht mehr entscheidungsfähig sind? Ohne klare Regelungen kann weder im privaten noch im unternehmerischen Bereich rechtssicher gehandelt werden.

Zentrale Bausteine:

  • Vorsorgevollmacht & Patientenverfügung: Regelt, wer in medizinischen, finanziellen und persönlichen Fragen für Sie entscheiden darf.
  • Unternehmervollmacht/Praxistestament: Legt fest, wer für die Praxis handeln darf (z. B. Verträge kündigen, Angestellte führen, Konten bedienen), wenn Sie selbst ausfallen.
  • „Notfallkoffer“: Übersicht über Bankverbindungen, Versicherungen, Passwörter, Schlüssel, Praxisverträge, Kontaktpersonen (Steuerberater, Rechtsanwalt) – geordnet und für die Vertrauensperson auffindbar.
Fazit dieses Kapitels: Scheidung, Krankenversicherung, Altansprüche in der DRV und die juristische Handlungsfähigkeit sind keine Randthemen, sondern integraler Bestandteil einer ernst gemeinten Altersvorsorgeplanung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.

7. Empfehlung: Modularer Vorsorgeprozess – Analyse, Lückenberechnung, Controlling

Altersvorsorge ist kein einmaliger Produktkauf, sondern ein fortlaufender Prozess. Für selbständige Ärztinnen und Ärzte, deren Einkünfte und Lebensumstände sich im Laufe der Karriere deutlich verändern, ist ein modularer Ansatz besonders sinnvoll.

7.1 Schritt 1 – Bestandsaufnahme (Analyse)

Am Anfang steht eine umfassende Ist-Analyse:

  • Höhe und Prognose Ihrer Versorgungswerksrente.
  • Bestehende Rürup-/Basisrenten, bAV-Anwartschaften, DRV-Ansprüche.
  • Private Anlagen: Depots, Immobilien, Versicherungen mit Auszahlungscharakter.
  • Risikobausteine: BU, Krankentagegeld, Praxisausfall, Betriebsunterbrechung.
  • Wert und Struktur der Praxis (inkl. Praxisimmobilie).
  • Familiäre Situation, Güterstand, Erb- und Schenkungsplanung.

7.2 Schritt 2 – Versorgungslücke berechnen

Auf Basis dieser Daten wird Ihre persönliche Versorgungslücke ermittelt:

  • Prognose der Einkünfte im Ruhestand (heutige Kaufkraft) aus allen bestehenden Quellen.
  • Definition des gewünschten Ruhestandseinkommens (ebenfalls in heutiger Kaufkraft).
  • Berücksichtigung von Inflation, Steuern, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen.

Ergibt sich beispielsweise ein erwartetes Einkommen von 3.000 € netto bei einem Zielbedarf von 5.000 €, beträgt Ihre Versorgungslücke 2.000 € monatlich – vor Berücksichtigung eines möglichen Praxisverkaufs. Auf diese Lücke richtet sich die weitere Planung aus.

7.3 Schritt 3 – Maßnahmenplanung (Strategieentwurf)

Im nächsten Schritt werden konkrete Maßnahmen festgelegt:

  • Erhöhung von Schicht-1-Beiträgen (mehr Rürup, ggf. Zusatzbeiträge im Versorgungswerk).
  • Aufbau und Strukturierung von Schicht-3-Vermögen (z. B. ETF-Sparpläne, Immobilienkonzept).
  • Überprüfung und ggf. Anpassung der Risikoabsicherung (BU-Rente, KTG, Praxisausfall).
  • Steuerliche und rechtliche Flankierung (bAV, Rechtsformwahl, Güterstand, Nachfolgeplanung).

7.4 Schritt 4 – Umsetzung und laufendes Controlling

Entscheidend ist die konsequente Umsetzung und regelmäßige Überprüfung:

  • Mindestens einmal jährlich „Vorsorge-Check“: Haben sich Einkommen, Familie oder Praxisstruktur geändert?
  • Überprüfung der Performance: Entwickeln sich Depot, Immobilien und Policen wie geplant?
  • Anpassung bei externen Veränderungen: Steuerreformen, Zinsänderungen, veränderte Überschussbeteiligungen der Versorgungswerke.

Viele Ärztinnen und Ärzte vereinbaren hierzu einen festen jährlichen Termin mit ihrem Berater – analog zur eigenen Gesundheitsvorsorge für Patientinnen und Patienten.

8. Fazit: Altersvorsorge für Niedergelassene – komplex, aber beherrschbar

Altersvorsorge für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ist komplex, aber gut beherrschbar, wenn man die wichtigsten Stellschrauben systematisch berücksichtigt: Versorgungswerk, Praxis, Steuerrenten, private Kapitalanlagen, Risikoabsicherung, Scheidung, DRV-Ansprüche, Krankenversicherung im Alter und rechtliche Vorsorge greifen ineinander.

Eine ganzheitliche Planung bedeutet:

  • Sie verlassen sich weder blind auf das Versorgungswerk noch auf einen „optimalen“ Praxisverkauf.
  • Sie nutzen Steuervorteile, ohne sich in unflexiblen Produkten zu verheddern.
  • Sie stabilisieren Ihre Praxis und Ihr Einkommen über solide Risikoabsicherung.
  • Sie binden juristische Themen wie Güterstand, Vollmachten und Nachfolge frühzeitig ein.

Mit einer klaren Struktur, realistischen Erwartungen und diszipliniertem Controlling können Sie finanziell zuversichtlich in die Zukunft blicken. Die Mühe lohnt sich: Jeder heute klug investierte Euro erhöht Ihre Unabhängigkeit im Ruhestand.

Nächster Schritt: Eigene Zahlen auf den Tisch legen

Theoretisches Wissen ist wichtig – entscheidend wird es, wenn Sie Ihre konkreten Zahlen durchrechnen lassen. Auf dieser Basis können wir gemeinsam ein modular aufgebautes Vorsorgekonzept entwickeln, das zu Ihrer Praxis, Ihrer Familie und Ihren Zielen passt.

9. Glossar – wichtige Fachbegriffe für Ärztinnen und Ärzte

Ärztliches Versorgungswerk
Berufsspezifische Versorgungseinrichtung für Ärztinnen und Ärzte. Finanziert sich überwiegend aus Beiträgen der Mitglieder und Kapitalerträgen. Leistet Alters-, Berufs-/Erwerbsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrenten.
Basisrente (Rürup-Rente)
Staatlich geförderte, steuerbegünstigte Form der privaten Altersvorsorge. Leistungen erfolgen nur als lebenslange Rente, Kapitalauszahlung ist in der Regel ausgeschlossen. Besonders für Selbständige interessant.
Beitragsentlastungstarif (PKV)
Zusätzlicher Tarif in der privaten Krankenversicherung, mit dem Versicherte während der Erwerbsphase Beiträge zahlen, um im Alter dauerhaft geringere PKV-Beiträge zu erreichen.
KVdR (Krankenversicherung der Rentner)
Sonderstatus in der gesetzlichen Krankenversicherung für Rentner, der unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. Vorversicherungszeiten) einen günstigeren Beitragssatz auf gesetzliche Renten ermöglicht.
Betriebliche Altersvorsorge (bAV)
Sammelbegriff für Altersvorsorgeformen, die über den Arbeitgeber organisiert werden (z. B. Direktversicherung, Pensionskasse, Unterstützungskasse, Pensionszusage). Für klassische Einzelpraxen meist nur eingeschränkt relevant.
Modifizierte Zugewinngemeinschaft
Ehevertragliche Gestaltung des gesetzlichen Güterstands, bei der bestimmte Vermögenswerte (z. B. Praxis, Betriebsvermögen, Erbschaften) ganz oder teilweise vom Zugewinnausgleich ausgenommen werden können.
Vorsorgevollmacht / Unternehmervollmacht
Vollmachten, mit denen Sie Personen Ihres Vertrauens bevollmächtigen, in Ihrem Namen zu handeln – im privaten und unternehmerischen Bereich – wenn Sie selbst nicht mehr entscheidungsfähig sind.
Praxisausfall- und Betriebsunterbrechungsversicherung
Versicherungen, die laufende Praxiskosten und entgangenen Gewinn absichern – entweder bei krankheitsbedingtem Ausfall der Praxisinhaberin/des Praxisinhabers (Praxisausfall) oder bei Sachschäden wie Brand oder Leitungswasserschäden (Betriebsunterbrechung).

Hinweis: Dieses Glossar ersetzt keine individuelle Rechts- oder Steuerberatung, hilft aber, die wichtigsten Fachbegriffe in der Altersvorsorgeplanung besser einordnen zu können.

Foto Jan Pohl
Jan Pohl Versicherungsmakler

Buchen Sie gleich einen Termin

Ich freue mich auf Ihre Anfrage!